Banken:Erstes Gericht verbietet Negativzinsen

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Verbraucherschützer haben eine Negativzins-Klage gegen die Sparda-Bank Berlin gewonnen. Der VZBV spricht von einem "sehr guten Urteil für Verbraucherinnen und Verbraucher". (Foto: Ralph Peters/imago)

Ein Landgericht erklärt das Verwahrentgelt der Sparda-Bank Berlin für unwirksam. Die Bank soll alle zu Unrecht kassierten Beträge zurückzahlen. Ein Urteil mit Sprengkraft.

Von Harald Freiberger

Es ist ein Urteil wie ein Paukenschlag: Erstmals hat ein Gericht in Deutschland einer Bank verboten, ein Verwahrentgelt auf Giro- und Tagesgeldkonten zu verlangen. Das Landgericht Berlin verpflichtete die Sparda-Bank Berlin sogar, Kunden bereits erhobene Negativzinsen zurückzuzahlen ( Az. 16 O 43/21). Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV). Die Sparda-Bank kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Es weiche von bisherigen Urteilen ab, die Verwahrentgelte grundsätzlich zuließen.

Bestätigen die höheren Instanzen das Urteil, hätte das gewaltige Folgen für Banken und Sparkassen. Denn viele Kreditinstitute in Deutschland berechnen ihren Kunden das Verwahrentgelt auf eine ähnliche Weise wie die Sparda-Bank Berlin. Diese führte im September 2020 ein Verwahrentgelt von 0,5 Prozent auf Giro- und Tagesgeldkonten ab einem Freibetrag von 25 000 Euro ein; bei neuen Tagesgeldkonten beträgt der Freibetrag 50 000 Euro.

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Nach Daten des Verbraucherportals Verivox haben gerade in letzter Zeit viele Banken und Sparkassen Negativzinsen eingeführt. Inzwischen berechnen 431 Institute ein Verwahrentgelt von Privatkunden. Ende 2020 waren es noch 178 Banken, also weniger als die Hälfte. In der Regel liegt der Minuszins bei 0,5 Prozent. Das ist dieselbe Höhe, die die Europäische Zentralbank von Geschäftsbanken verlangt, wenn diese bei ihr kurzfristig Geld parken. Sie führte den Negativzins schon im Jahr 2014 ein, um Banken dazu zu drängen, mehr Kredite zu vergeben und die Wirtschaft anzukurbeln. Viele Institute geben die Negativzinsen nun an die eigenen Kunden mit der Begründung weiter, sie könnten die Belastung nicht mehr tragen.

Verbraucherschützer haben Klagen gegen vier weitere Banken eingereicht

Der VZBV sprach von einem "sehr guten Urteil für Verbraucherinnen und Verbraucher". Das Landgericht Berlin setze damit ein klares Signal gegen den Versuch vieler Banken, Kundinnen und Kunden mit Verwahrentgelten in Form von Negativzinsen zu belasten, sagte David Bode, Rechtsreferent bei dem Verband. Erfreulich sei auch, dass das Gericht die Bank dazu verpflichtet habe, alle zu Unrecht kassierten Beträge zurückzuzahlen. Werde das Urteil rechtskräftig, müssten Kunden der Sparda-Bank ihre Ansprüche nicht selbst geltend machen.

Der Verband hat ähnliche Klagen gegen weitere vier Kreditinstitute eingereicht. Die Entscheidung des Landgerichts Berlin ist das erste Urteil dazu. Es erklärt entsprechende Klauseln im Preis- und Leistungsverzeichnis der Sparda-Bank Berlin für unzulässig. Das Gericht schloss sich der Ansicht des VZBV an, dass das Verwahrentgelt gegen wesentliche Grundgedanken gesetzlicher Regelungen verstoße.

Zum einen schreibt das Darlehensrecht vor, dass die Bank als Darlehensnehmer für die Verwahrung von Einlagen dazu verpflichtet ist, dem Kunden einen Zins zu zahlen; dieser Zins kann maximal auf null sinken, aber nicht in den negativen Bereich. Die Kreditinstitute behelfen sich dagegen mit einem juristischen Kniff: Sie definieren das Verwahren von Kundengeld auf Giro- oder Tagesgeldkonten als eine "Sonderleistung", für die sie auch ein gesondertes Entgelt verlangen dürften. Deshalb nennen sie dieses auch "Verwahrentgelt" und nicht "Negativzinsen" oder "Minuszinsen", was das Entgelt de facto ist.

Der VZBV argumentierte, dass das Verwahren von Geld keine Sonderleistung sein könne, da die sonstigen Dienstleistungen eines Girokontos - zum Beispiel der Zahlungsverkehr - ohne das Verwahren von Geld schlichtweg nicht funktionierten. Die Richter folgten dieser Argumentation. Sie gingen sogar so weit zu sagen, dass die Frage unabhängig davon sei, ob die Bank bei dem Girokonto eine Gebühr für die Kontoführung berechne; auch bei kostenlosen Girokonten ist das Verwahrentgelt also unzulässig.

Der BGH hat 2021 bereits zwei schmerzhafte Urteile für die Banken gesprochen

"Viele Banken argumentieren, die Negativzinspolitik der EZB würde sie gerade zwingen, die Kosten an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben", sagt VZBV-Experte Bode. Das sei aber nur die halbe Wahrheit. Schließlich gestatte ihnen die EZB großzügige Freibeträge für dort geparkte Gelder.

Die Richter forderten die Sparda-Bank auf, den Kunden einbehaltene Verwahrentgelte von sich aus zu erstatten. Damit eine Überprüfung möglich ist, muss die Bank Namen und Anschriften der Kunden dem VZBV, einem Notar oder einem Rechtsanwalt übermitteln.

Bis es so weit ist, dürfte es aber noch dauern. Die nächste Instanz ist das Oberlandesgericht, wegen seiner Bedeutung könnte der Fall letztlich vor dem Bundesgerichtshof (BGH) landen. Der sprach in diesem Jahr bereits zwei schmerzhafte Urteile für Banken und Sparkassen aus: Zum einen müssen sie Gebührenerhöhungen in Milliardenhöhe zurückzahlen, da die entsprechenden Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam seien; zum anderen müssen die Geldhäuser Hunderttausenden Kunden vorenthaltene Zinsen von Prämiensparverträgen nachzahlen, da sie diese mit Klauseln zur Anpassung der Zinsen einseitig benachteiligt hätten. Im schlimmsten Fall müssen die Kreditinstitute nun auch noch alle Negativzinsen zurückzahlen, die sie bisher von ihren Kunden kassiert haben.

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