Belarus:Lukaschenkos neue Taktik

GRODNO REGION, BELARUS - NOVEMBER 21, 2021: A refugee woman and child at the Bruzgi Transport and Logistics Centre, som

Nach Einschätzung von Polens Verteidigungsminister Błaszczak würden die Grenzeinheiten Lukaschenkos die Flüchtenden inzwischen nach einer anderen Taktik lenken: "Kleinere Gruppen versuchen die Grenze an vielen Punkten zu überwinden."

(Foto: imago images/ITAR-TASS)

Belarus´ Diktator will weiterhin versuchen, die EU mit Geflüchteten unter Druck zu setzen. Das sagt er inzwischen ganz offen.

Von Florian Hassel, Warschau

Die Migranten- und Flüchtlingskrise an den Grenzen zu Polen, Litauen und Lettland ist nach Einschätzung mehrerer Regierungen noch lange nicht vorüber. "Dieses Problem wird noch Monate bestehen", sagte Polens Verteidigungsminister Mariusz Błaszczak im polnischen Radiosender RMF. In Tallinn erklärte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas nach einem Treffen mit Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki: "Der Druck an unserer Außengrenze wird andauern, da Lukaschenko seine Ziele noch nicht erreicht hat."

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko sagte der BBC am vergangenen Freitag: "Ich werde Migranten an der Grenze nicht festnehmen oder festhalten, und wenn sie weiterkommen, werde ich sie von jetzt an nicht stoppen, weil sie nicht in mein Land kommen, sondern in eure gehen."

Nach Einschätzung von Polens Verteidigungsminister Błaszczak würden die Grenzeinheiten Lukaschenkos die Flüchtenden inzwischen nach einer anderen Taktik lenken: "Kleinere Gruppen versuchen die Grenze an vielen Punkten zu überwinden." Diese Aktionen würden "von den belarussischen Einheiten gesteuert". Polens Grenzschutz meldete in der Nacht zum Sonntag, eine Gruppe von etwa 100 Migranten habe versucht, die Grenze zu überqueren. Angeblich sollen sie zuvor von einem belarussischen Militärlastwagen an die Grenze gebracht worden sein. Zudem seien polnische Einheiten mit Steinen beworfen und mit Lasern geblendet worden.

Der Grenzschutz veröffentlichte keine Belege für diese Behauptungen, Journalisten ist der Zutritt zum Grenzgebiet weiterhin verboten. Zwar sprach auch Estlands Regierungschefin Kallas von "immer gewalttätigeren Versuchen der Grenzüberschreitung". Aber auch hier fehlen Belege.

as litauische Nachrichtenportal Delfi strahlte am Sonntag ein Interview mit einem irakischen Kurden aus einer Gruppe von 13 Männern aus. Sie hätten ursprünglich alle nach Deutschland gewollt, erzählt der Mann, dann aber ihre Pläne geändert und versucht, sich mit der irakischen Botschaft in Moskau in Verbindung zu setzen, um ihre Rückkehr in die Heimat zu organisieren. Stattdessen seien sie jedoch in Minsk von belarussischen Sicherheitskräften unter Gewaltanwendung mit Militärlastwagen an die Grenze zu Litauen gebracht worden.

Von den Grenzschutzbehörden wurde mitgeteilt, dass in der Nacht zum Samstag etwa 20 Migranten versucht hätten, die Grenze nach Lettland zu überwinden, 140 nach Litauen und 350 nach Polen. Bis Sonntagmorgen meldete Polens Grenzschutz 208 Versuche, die Grenze zu überwinden. Nach Aussagen von Ministerpräsident Morawiecki sollen jedoch bereits "viel weniger Migranten aus der Türkei und dem Irak auf das Territorium von Belarus kommen".

In beiden Ländern haben Fluglinien die Beförderungen von Nicht-Weißrussen auf Flügen nach Minsk eingestellt. Dem war erheblicher diplomatischer Druck durch die EU und die polnische Regierung vorangegangen. Dennoch halten sich noch immer Tausende Migranten in Belarus auf. Zudem gibt es weitere Routen dorthin, etwa über Russland.

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