IT-Sicherheit:Warum sich Apple mit einer Spionagefirma anlegt

IT-Sicherheit: Die Schwachstellen des iPhones, die der NSO wohl Spionageangriffe ermöglichten, hatte Apple selbst nicht gefunden.

Die Schwachstellen des iPhones, die der NSO wohl Spionageangriffe ermöglichten, hatte Apple selbst nicht gefunden.

(Foto: Loic Venance /AFP)

Mit der Pegasus-Software der NSO Group werden Regierungskritiker ausspioniert. Apple versucht nun, das Unternehmen aus seinen iPhones auszusperren.

Von Jannis Brühl

Selten hat sich ein Unternehmen so klar gegen den Missbrauch seiner Technik durch Spione positioniert. Apple knöpft sich eines der berüchtigtsten Überwachungsunternehmen vor, die NSO Group aus Israel. Sie ist für ihre Software Pegasus bekannt. Mit Pegasus übernehmen NSO-Kunden, meist Polizeien und Geheimdienste, aus der Ferne Handys. Sie können auf praktisch alle Daten des Geräts zugreifen, es als Wanze benutzen und sogar die Kamera an- und ausschalten.

Damit soll nun zumindest auf iPhones Schluss sein. Am Dienstag reichte Apple vor einem US-Bundesgericht Klage gegen NSO ein. Apple will Schadenersatz in ungenannter Höhe und dem Unternehmen verbieten, Apples Geräte und Dienste zu nutzen. Das soll laut Apple "weiteren Missbrauch und Schaden bei Nutzern verhindern". Das Argument: Diejenigen, die Pegasus einsetzten, hätten gegen Apples Nutzungsbestimmungen verstoßen, als sie sich Apple-Konten anlegten, um andere auszuhorchen. NSO äußerte sich auf SZ-Anfrage eher allgemein: "Pädophile und Terroristen operieren frei in technologischen Schutzzonen, und wir geben Regierungen die legalen Mittel, dagegen zu kämpfen."

NSO wird vorgeworfen, ihre Software auch Regierungen zu verkaufen, die sie gegen demokratische Oppositionelle und andere missliebige Politiker einsetzen statt nur gegen Verbrecher und Terroristen, wie das Unternehmen behauptet. Im Sommer hatten Enthüllungen eines internationalen Konsortiums von Journalisten, an denen auch die SZ beteiligt war, gezeigt, wie Pegasus mutmaßlich missbraucht worden ist: Hunderte Menschenrechtsaktivisten, Journalisten, Anwälte und Staatschefs wurden so wohl ausspioniert. NSO bestreitet die Vorwürfe und verweist auf Vorgaben für seine Kunden, die Menschenrechte einzuhalten.

Apple will zwei NGOs dabei unterstützen, noch mehr Spionageaktionen der NSO aufzudecken

Unternehmen wie Apple sind in der digitalen Spionagewelt in einer besonderen Position. Ihre Infrastruktur - in diesem Fall das Betriebssystem des iPhone - ist der Kanal, über den Spione sich Zugriff auf die Geheimnisse ihrer Ziele verschaffen. Forcedentry, gewaltsames Eindringen, nennen Fachleute die Angriffstechnik, mit der NSO mutmaßlich in iPhones eindringt. Nun ist es, als hätte Apple den Eindringling erwischt und ihm zugerufen: "Runter von meinem Grundstück!"

Apple versucht aber nicht nur, NSO-Software aus seinem System fernzuhalten. Der Konzern bringt auch seine ökonomische Kraft gegen NSO in Stellung. Das Unternehmen will die NGOs Citizen Lab und Amnesty Tech mit zehn Millionen Dollar unterstützen. Die Organisationen untersuchen von der Pegasus-Software befallene Handys forensisch und rekonstruieren so Spionageaktionen.

Apple schlägt sich damit klar auf die Seit jener nicht-kommerziellen IT-Fachleute, die Dissidenten vor Überwachung schützen wollen. Das Geld, das Apple von NSO erstreiten will, möchte der Konzern an die beiden Unternehmen spenden. Ron Deibert vom Citizen Lab lobte das Vorgehen von Apple. Er hoffe, Apple werde Gerechtigkeit für alle "Opfer des rücksichtslosen NSO-Verhaltens" herstellen.

Peinlich für Apple: Die eigene IT-Abteilung hatte die Schwachstellen im iPhone übersehen

Dass das angeblich so sichere iPhone Schwachstellen hatte, die NSO wohl ausnutzen konnte, war allerdings peinlich für Apple. Die IT-Sicherheitsabteilung hatte die Schwachstellen, die Pegasus ausnutzte, nicht selbst entdeckt und geschlossen.

Apple versucht nun einmal mehr, sich als jener Tech-Konzern zu profilieren, der sich dem weltweiten System digitaler Überwachung nicht nur verweigert, sondern es sogar aktiv bekämpft. Für Apple ist das einfacher als für Konzerne wie Facebook oder Google: Die Kalifornier verdienen ihr Geld vor allem mit dem Verkauf von Hardware und weniger mit Werbung.

Apple ist der zweite Konzern aus dem Silicon Valley, den sich die NSO Group zum Feind macht. Meta (ehemals: Facebook) klagt schon seit 2019 gegen NSO, weil Whatsapp-Nutzer mit Pegasus angegriffen worden sein sollen. Anfang des Monats scheiterte NSO vor einem US-Gericht mit dem Argument, man genieße Immunität, weil man ja im Auftrag ausländischer Regierungen gehandelt habe. Die USA haben NSO mittlerweile auf ihre Sanktionsliste gesetzt. US-Unternehmen dürfen der Firma keine Technologie mehr verkaufen. Mit Apple hätte es es aber wohl ohnehin keine Geschäftsbeziehungen gegeben.

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