Fragen und Antworten zu Novak Djokovic:48 Minuten zu wenig

Fragen und Antworten zu Novak Djokovic: Erzielte einen Sieg vor Gericht: Novak Djokovic.

Erzielte einen Sieg vor Gericht: Novak Djokovic.

(Foto: Paul Crock/AFP)

Was hat der Richter im Fall Djokovic genau entschieden? Wie argumentieren die Anwälte des Serben? Und welche Rolle spielt ein Covid-Test aus dem Dezember? Fragen und Antworten.

Von Julia Hippert, Philipp Saul und Martin Schneider

Worum geht es grob?

Novak Djokovic, Nummer eins der Tennis-Weltrangliste und 20-facher Grand-Slam-Sieger, will an den am 17. Januar beginnenden Australian Open teilnehmen, um seinen Titel zu verteidigen. Eine vollständige Corona-Impfung ist eigentlich eine Teilnahmevoraussetzung für das Turnier. Djokovic, der nicht geimpft ist, hatte beim Veranstalter erfolgreich eine Ausnahmegenehmigung beantragt.

Am Donnerstag (Ortszeit) jedoch annullierten die australischen Grenzbehörden Djokovics Visum bei der Einreise. Nach eigenen Angaben sahen sie keine ausreichenden Belege für die Ausnahmegenehmigung. Djokovic musste in ein Hotel für Ausreisepflichtige und legte gegen die Entscheidung der Grenzbehörde Einspruch ein. Diesem Einspruch gab ein Richter nun statt.

Welches Visum hat Djokovic beantragt?

In einer eidesstattlichen Erklärung vom Montag erklärte der Tennisspieler, er habe sich im Oktober oder November des vergangenen Jahres mit der Hilfe seines Agenten und des australischen Tennisverbandes um ein befristetes Visum beworben. Dieses sei ihm von der australischen Regierung auch genehmigt worden. Es hängt der Erklärung an. Es handele sich dabei um ein "Temporary Activity visa, subclass 408". Auf der Internetseite des australischen Innenministeriums wird dieses als ein Visum beschrieben, das es dem Inhaber "erlaubt, nach Australien einzureisen, um für kurze Zeit einer spezifischen Tätigkeit nachzugehen".

Wie argumentieren Djokovic und seine Anwälte?

Am Tag seiner Einreise nach Australien, dem 6. Januar, hat der Tennisspieler in der Befragung durch einen Beamten des australischen Grenzschutzes angegeben, "nicht gegen Covid-19 geimpft" zu sein. Das geht ebenfalls aus der eidesstattlichen Erklärung hervor. Djokovic argumentiert aber, dass seinem Verständnis nach eine kürzlich zurückliegende Covid-Erkrankung als Grund für eine Ausnahmegenehmigung genüge. Er gibt an, am 16. Dezember des vergangenen Jahres positiv auf das Coronavirus getestet worden zu sein.

Allerdings war diese Infektion vor dem Prozess nicht bekannt, zudem existieren Fotos von Djokovic, wie er am 17. Dezember und in den folgenden Tagen unmaskiert und ohne Abstände Kinder und andere Personen bei diversen PR-Terminen trifft. Nach einer kritischen Nachfrage zu diesem Sachverhalt brach die Familie von Djokovic eine Pressekonferenz am Montagnachmittag ab.

Weitere Fragen werfen die Daten auf. Die Bewerbungsfrist für die medizinische Ausnahmegenehmigung war eigentlich schon am 10. Dezember abgelaufen.

Was steht in der Einreisebestimmung?

Die Einreisebestimmungen für Australien sehen vor, dass nur vollständig geimpfte Personen in das Land einreisen können, ohne eine Ausnahmegenehmigung, eine sogenannte "exemption", beantragen zu müssen.

In der Auflistung des australischen Innenministeriums, wer von den gültigen Einreisebestimmungen ausgenommen ist, taucht eine kürzliche Covid-Infektion aber nicht als Grund für eine Ausnahmegenehmigung auf. Wohl aber wird die Visum-Kategorie, die Djokovic beantragt hatte (Temporary Activity visa, subclass 408), als Grund für eine Ausnahme angeführt.

Wer hat die Ausnahmegenehmigung erteilt?

Zwei unterschiedliche medizinische Gremien, eines des Tennisverbandes sowie eines des australischen Bundesstaats Victoria, wo sich der Austragungsort Melbourne befindet, hatten über Djokovics Anträge für eine Ausnahmegenehmigung entschieden.

Warum haben die australischen Grenzbeamten Djokovics Visum nicht anerkannt?

In einem Statement vom 6. Januar schreibt die Australian Border Force, Djokovic habe es "versäumt, angemessen zu belegen, dass er alle Bestimmungen für eine Einreise nach Australien erfüllt". In einem Anhang zur Erklärung heißt es, Djokovic sei schlicht nicht geimpft und würde darum die Einreisebestimmungen nicht erfüllen. Ein positiver PCR-Test sei kein ausreichender Beleg für eine Ausnahme.

Was ist unklar?

Unklar bleibt, ob es nun korrekt war, Djokovic auf Grundlage der Entscheidung der beiden medizinischen Kommissionen ein Visum zu erteilen oder ob es korrekt war, dieses Visum zu annullieren. Diese Entscheidung hat das Gericht nicht gefällt.

Was hat der Richter dann entschieden?

Richter Anthony Kelly vom Federal Circuit and Family Court of Australia hat am Montag entschieden, dass das Prozedere, mit dem Djokovic die Einreise verwehrt wurde, juristisch keinen Bestand hat. Am Ende waren offenbar 48 Minuten das Problem. Der Richter argumentiert, ursprünglich sei Djokovic am Tag seiner Einreise bis 8.30 Uhr Zeit gegeben worden, um auf die sich anbahnende Ablehnung seines Visums zu reagieren. Stattdessen sei bereits um 7.42 Uhr entschieden worden, seinen Visumsantrag abzulehnen. Djokovic habe also 48 Minuten weniger Zeit gehabt, um Argumente gegen die Ablehnung seines Visums vorzulegen.

Es handelt sich also um eine rein formale juristische Begründung. Der Richter hat damit keine Aussage über die Gültigkeit von Djokovics Visum oder dessen Ablehnung getroffen.

Warum ist die Aufregung so groß?

Djokovic und die Corona-Pandemie trafen nicht erst kurz vor den Australian Open aufeinander. Der Serbe hat eine lange Vorgeschichte in Bezug auf das Virus: Im Sommer 2020, als viele Profisportveranstaltungen abgesagt wurden oder ohne Zuschauer stattfanden, organisierte Djokovic eine sogenannte Adria-Tour: Tennis vor dicht besetzten Rängen und im Rahmenprogramm Fußball, Basketball, eine Clubnacht mit Strip Dancing. Kurz vor dem Finale wurde die Tour wegen Corona-Fällen abgebrochen und auch Djokovic positiv getestet.

Später, als die Pandemie schon etwas älter war und Impfstoffe entwickelt worden waren, gab es weiter Ärger um Djokovic. Monatelang machte er ein Geheimnis daraus, ob er sich hat impfen lassen, äußerte sich mehrfach skeptisch bis kritisch zu Impfungen.

Generell nimmt er das Virus offenbar nicht allzu ernst. Djokovic zeigte sich mit einem angeblichen Lungenfacharzt, der zu Beginn der Pandemie über das seiner Einschätzung nach "lustigste Virus der Weltgeschichte" gesprochen und gesagt hatte, Serben hätten ein "Löwengen", das sie immunisiere. Inzwischen sind in Serbien mindestens 12 900 Menschen in Zusammenhang mit dem Virus gestorben.

Fragen und Antworten zu Novak Djokovic: In Melbourne zeigen serbische Tennisfans ihre Unterstützung für Novak Djokovic.

In Melbourne zeigen serbische Tennisfans ihre Unterstützung für Novak Djokovic.

(Foto: Diego Fedele/Getty Images)

Wie reagiert Djokovics Heimatland?

Die serbische Politik schaltete sich schon früh in der Causa ein. Präsident Aleksandar Vučić sprach vergangene Woche von einer "politischen Hexenjagd" auf Djokovic, an der auch der australische Premierminister teilnehme. Und dann ist da noch der Vater des Tennisspielers, offenbar ein Freund drastischer Worte und maßloser Übertreibungen: "Jesus wurde gekreuzigt, ihm wurde alles angetan, und er ertrug es und lebt immer noch unter uns", sagte Srdjan Djokovic. "Jetzt versuchen sie, Novak auf die gleiche Weise zu kreuzigen und ihm alles anzutun."

Wie ging es nach er Urteilsverkündung weiter?

Richter Kelly ordnete darüber hinaus an, dass Djokovic spätestens 30 Minuten nach Urteilsverkündung das Hotel, wo er auf die Entscheidung zu seinem Visum warten musste, verlassen darf. Djokovic bekam umgehend seinen Pass und alle anderen persönlichen Gegenstände zurück. Djokovic schrieb auf Twitter über das Urteil, er sei "froh und dankbar". Trotz allem, was passiert sei, wolle er im Land bleiben und bei den Australian Open antreten.

Die australische Regierung hatte allerdings bereits vor der Verhandlung angekündigt, sie erwäge im Falle einer Aufhebung der Einreiseverweigerung weitere Schritte, um Djokovic das Visum zu verweigern. Das bestätigte der Regierungsanwalt Christopher Tran zum Ende der Verhandlung.

Der Minister für Einwanderung, Alex Hawke, verzichtete allerdings zunächst darauf, dem serbischen Tennisspieler mit seiner persönlichen Entscheidungsgewalt erneut die Aufenthaltsberechtigung zu entziehen. Eine entsprechende Frist verstrich am Abend (Ortszeit). Eine endgültige Entscheidung soll am Dienstag fallen.

Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungNovak Djokovic
:Flüsterstimmen im Kopf

Es gab eine Zeit, da schrieb der Tennis-Profi Novak Djokovic ausschließlich Schlagzeilen mit seiner sportlichen Exzellenz - dann verabschiedete er sich von dieser Welt und wandte sich Alchemisten und Esoterikern zu.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: