Folgen des Ukrainekrieges:Regierung räumt "Ankerzentrum" für ukrainische Geflüchtete

Folgen des Ukrainekrieges: Stark gesichert ist die Dependance des Münchner Ankerzentrums in Fürstenfeldbruck.

Stark gesichert ist die Dependance des Münchner Ankerzentrums in Fürstenfeldbruck.

(Foto: Carmen Voxbrunner)

Asylbewerber aus Jemen und Afghanistan müssen in andere Unterkünfte in Oberbayern umziehen. Stadt und Caritas beklagen, dass die bisherigen Bewohner Sprachkurse abbrechen und Schulen verlassen müssen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Bis zu tausend Flüchtlinge aus der Ukraine sollen im sogenannten Ankerzentrum am Bundeswehrgelände vorübergehend untergebracht werden. Die Asylbewerber, die bisher dort leben, müssen umziehen. Das löst Unruhe und Konflikte aus, weil Betroffene aus Beratungen, Sprachkursen oder Schulklassen gerissen werden, wie es die Caritas beklagt. Die Regierung verteidigt den Umzug damit, dass nur die Dependance technisch ausgerüstet ist, um Neuankömmlinge schnell zu registrieren. In Olching trafen am Montag 55 Menschen aus der Ukraine ein, die in einer früheren Corona-Quarantäne-Unterkunft des Landkreises unterkommen.

Viele Geflüchtete aus der Ukraine kommen bei Verwandten und Bekannten im Landkreis unter, außerdem bieten viele Bürger private Unterkünfte an. Allein dem Landratsamt wurden 120 Plätze gemeldet, in Germering hat Peter Busch, ein Asylhelfer, für eine Frau mit fünf Kindern eine Wohnung der Stadt besorgt. Ihre Schwester wartet als Asylbewerberin mit zwei Kindern seit längerem in der Unterkunft an der Industriestraße auf die Anerkennung. Die Stadt Fürstenfeldbruck hat für alle, die helfen wollen, eine Anlaufstelle im Rathaus eingerichtet. Die Hilfsbereitschaft sei groß, berichtet Doreen Höltl von der Stabsstelle für soziale Angelegenheiten im Rathaus.

Mütter kehren zurück. Um zu kämpfen

Zur Verfügung hat die Kommune das Obdachlosenheim in der Hasenheide. Dort habe man derzeit zwei Familien mit Kindern sowie vier alleinreisende Frauen mit sechs Kindern einquartiert, erzählt Höltl. Zudem gebe es Frauen, die ihre Kinder der Oma übergeben, weil sie selber kämpfen wollen. In einem Fall war die Großmutter nach der Flucht jedoch so erschöpft, dass sie ins Krankenhaus musste, während Verwandte sich nun um die Kinder kümmern.

Alle anderen Ukrainer werden von der Regierung auf die Landkreise verteilt. In der Fürstenfeldbrucker Dependance des sogenannten Ankerzentrums München befanden sich am Montag bereits 177 Geflüchtete aus der Ukraine, teilte Pressesprecher Wolfgang Rupp mit. Vorgesehen sei eine Unterbringung von maximal 1000 Personen, das würde der Obergrenze entsprechen, die die Stadt mit der Regierung ausgehandelt hat. Mitte Februar lebten in der ehemaligen Kaserne noch 584 Asylbewerber aus 25 Nationen, zwei Drittel von ihnen stammten aus dem Jemen und Afghanistan. Diese würden nun in andere Unterkünfte der Regierung oder dezentrale Quartiere der Landkreise verlegt, erklärte der Sprecher. So habe man am Wochenende 135 Asylbewerber aus Afghanistan und Jemen nach Waldkraiburg gebracht.

Aus gewohnten Strukturen gerissen

Der Integrationsreferent des Brucker Stadtrates, Willy Dräxler (BBV), berichtete von Gruppen von 30 bis 40 Personen, die vergangene Woche verlegt wurden, unter anderem nach Berchtesgaden. Nach Angaben von Busch trafen in der vergangenen Woche in der Germeringer Unterkunft zehn Asylbewerber aus dem sogenannten Ankerzentrum ein, was Ines Roellecke, die Pressesprecherin des Landratsamtes, nicht bestätigen konnte. Die Betroffenen seien wegen der Verlegung aufgeregt und verunsichert, sagt Willy Dräxler (BBV), der Integrationsreferent des Stadtrates. Michael Pirling, der Fachdienstleiter Asyl und Migration der Caritas, berichtet, dass Menschen aus gewohnten Zusammenhängen gerissen würden.

Die Regierung favorisiert jedoch eine "möglichst gesammelte Unterbringung" der Ukrainer an einem oder wenigen Orten, weil dies die schnelle Erfassung und weitere Verteilung erleichtern würde, wie Pressesprecher Rupp argumentiert. Die Geflüchteten aus der Ukraine sollen auch nicht lange bleiben, sondern möglichst schnell in andere Unterkünfte oder private Wohnungen vermittelt werden, sofern diese zur Verfügung stünden. Ein Teil der Menschen wird in den Unterkünften des Landkreises landen, der aktuell noch etwa 230 Plätze frei hat. Die Kreisbehörde möchte vermeiden, dass wieder Schulturnhallen als Notunterkünfte in Beschlag genommen werden müssen wie 2015 oder aktuell bereits in München.

Die Caritas betreibt in der Unterkunft der Regierung von Oberbayern eine Beratungsstelle mit acht Vollzeitkräften. Derzeit sei man einerseits mit der "Abschlussberatung" derjenigen beschäftigt, die verlegt werden, andererseits müsse man sich auf die Ukrainer einstellen. Für diese gelten andere Gesetze, man suche dringend ehrenamtliche Dolmetscher, und vor allem befänden sich die Ukrainer psychisch in einer anderen Situation. "Die sind noch in der akuten Phase des Schocks, mit dem frischen Eindruck von Krieg und Flucht", sagt Pirling.

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