Krieg in der Ukraine:Geflüchtete privat aufnehmen: Die wichtigsten Fragen im Überblick

Krieg in der Ukraine: Bundesweit haben zahlreiche Menschen seit Kriegsbeginn angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen - wie hier Anfang März am Berliner Hauptbahnhof.

Bundesweit haben zahlreiche Menschen seit Kriegsbeginn angeboten, Flüchtlinge aufzunehmen - wie hier Anfang März am Berliner Hauptbahnhof.

(Foto: Jens Schicke/imago)

Jeden Tag kommen mehr Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland an, viele von ihnen brauchen eine Bleibe. Was man wissen sollte, wenn man Schutzsuchende bei sich aufnehmen will.

Von Carina Seeburg und David Wünschel

Seit Kriegsausbruch haben nach Angaben der Vereinten Nationen etwa drei Millionen Menschen die Ukraine verlassen und bis Mittwoch (16.03.) hat die Bundespolizei dem Innenministerium zufolge schon etwa 175 000 Kriegsflüchtlinge in Deutschland gezählt - jeden Tag werden es mehr. Da es keine Grenzkontrollen gibt, könnte die Zahl der eingereisten Ukrainerinnen und Ukrainer aber sogar deutlich höher liegen. Viele der Menschen, die ihre Heimat überstürzt verlassen mussten, suchen eine Bleibe. Was man wissen sollte, wenn man kurzfristig eine Unterkunft vermieten oder kostenlos zur Verfügung stellen möchte.

Darf ich als Mieter Geflüchtete aufnehmen?

Ja, Ukrainerinnen und Ukrainer können nach Deutschland einreisen und sich frei im Land bewegen. Die Europäische Union garantiert ihnen Schutz für mindestens ein Jahr. Wer in einer Mietwohnung lebt und Geflüchtete aufnehmen will, kann dies für sechs bis acht Wochen tun - ohne Angabe von Gründen und ohne seinen Vermieter um Erlaubnis bitten zu müssen. Diese Zeitspanne gilt als erlaubnisfreier Besuch. Danach sollte man nach Angaben des Mieterbunds beim Vermieter oder der Vermieterin eine Erlaubnis einholen. Unklar ist, ob man auf eine solche Erlaubnis Anspruch hat. Sofern kein triftiger Grund für eine Ablehnung besteht, sollte der Vermieter sie nach Ansicht des Mieterbunds jedoch erteilen. In vielen Fällen können Mieter also Geflüchtete aus der Ukraine auch länger als sechs bis acht Wochen bei sich aufnehmen.

Kann man Wohnraum an Geflüchtete vermieten?

Geflüchtete aus der Ukraine können in Deutschland einen Mietvertrag abschließen. Sofern sie bei den Behörden als Geflüchtete registriert sind, steht ihnen zudem Unterstützung vom Staat zu. Dann haben sie Anspruch auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, also beispielsweise auf Essen, Kleidung und - je nach Höhe der Miete - auch auf einen Zuschuss oder sogar eine Übernahme der gesamten Monatsmiete. Das gilt jedoch nur, wenn die Geflüchteten die Kosten nicht aus eigenen Mitteln bezahlen können.

Wo kann man sich melden, wenn man Geflüchtete aufnehmen möchte?

Manche Bundesländer haben Portale eingerichtet, die bei der Vermittlung helfen. Wer in Bayern wohnt, kann sich beispielsweise auf der Website des Innenministeriums in ein Formular eintragen und entweder eine vorübergehende kostenlose Unterkunft oder eine Wohnung zu einer ortsüblichen Miete anbieten. In Berlin kommen derzeit besonders viele Schutzsuchende an, die dortige Landesregierung empfiehlt das private Vermittlungsportal "Unterkunft Ukraine", das auch mit dem Bundesinnenministerium kooperiert. Eigenen Angaben zufolge hat die Plattform Unterkunft Ukraine bisher mehrere Tausend Geflüchtete vermittelt. Der Vorteil solcher Portale ist, dass die Betreiber Erfahrung mit der Unterbringung von Geflüchteten haben und daher bei vielen Fragen und Problemen helfen können.

Muss man die Behörden über die Aufnahme Geflüchteter informieren?

Wer Geflüchtete bei sich aufnehmen möchte, ist nicht verpflichtet, die Behörden zu informieren. Ukrainerinnen und Ukrainer dürfen zunächst ohne Anmeldung in Deutschland leben. Wollen sie jedoch länger als 90 Tage bleiben oder Sozialleistungen beziehen, müssen sie sich bei den Ämtern melden. Eine Registrierung hilft den Behörden zudem, die Zahl der Geflüchteten einzuschätzen und Hilfe besser zu koordinieren. "Für die Unterbringung und medizinische Versorgung der Geflüchteten sind die Bundesländer verantwortlich", teilt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) auf Anfrage mit. Das gelte auch für die Registrierung. An dieser orientierten sich Aufnahmeeinrichtungen, Ausländerbehörden und Ankunftszentren. Einige Landesregierungen haben außerdem bereits eine dezentrale Registrierung für Geflüchtete in Privatunterkünften eingerichtet. In Bayern können sie sich beispielsweise unter ukraine.regierung-oberbayern@reg-ob.bayern.de melden.

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Wie lange sollte man Geflüchteten eine Unterkunft anbieten?

In absoluten Notfällen kann es bereits helfen, Menschen für eine Nacht bei sich aufzunehmen. In der Regel sollte man die Unterkunft aber für eine längere Zeit zur Verfügung stellen. "Es ist schwierig, eine Person, die sich gerade erst eingewöhnt hat, direkt wieder aus ihrem Umfeld zu reißen", sagt Andreas Grafemeyer, Sprecher der Vermittlungsplattform Unterkunft Ukraine. Grafemeyer empfiehlt eine Mindestdauer von zwei Wochen. Sollte es während des Aufenthalts zu Problemen kommen, sei ein frühzeitiger Abbruch natürlich möglich. In solchen Fällen sollte man die Geflüchteten jedoch bei der Suche nach einer Ersatzunterkunft unterstützen.

Wie sieht es mit der medizinischen Versorgung aus?

Die Impfquote gegen das Coronavirus ist in der Ukraine deutlich niedriger als in Deutschland, zudem sind viele Geflüchtete mit dem chinesischen Impfstoff Sinovac geimpft, der in der EU nicht zugelassen ist. Diese Menschen gelten also als ungeimpft. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat angekündigt, ukrainischen Geflüchteten Impfungen und Tests anzubieten. Im Krankheitsfall haben Geflüchtete, die bei den Behörden als solche registriert sind, zudem Anspruch auf eine medizinische Versorgung.

"Durch die Aktivierung der sogenannten Massenzustrom-Richtlinie gelten ukrainische Kriegsflüchtlinge als Asylbewerberinnen und -bewerber und haben einen Anspruch auf Krankenversorgung im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes", sagt Anne Wunsch, Pressesprecherin der Techniker Krankenkasse. Es sei außerdem möglich, dass Sozialämter Geflüchteten unmittelbar Berechtigungsscheine ausstellen, mit denen diese ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen können. "Ärztinnen und Ärzte rechnen in diesem Fall die Aufwendungen direkt mit dem Sozialamt ab."

Kann man selbst entscheiden, wen man bei sich aufnimmt - und wen nicht?

Das hängt von der Vermittlungsplattform ab. Bei Unterkunft Ukraine kann man Grafemeyer zufolge angeben, wen man aufnehmen will und wen nicht - je nach Lebenssituation und vorhandenem Platz. "Wir rufen vorher bei der Person an und schauen, ob es von beiden Seiten passt", sagt Grafemeyer. Denn nicht nur für die Gastgeber muss die neue Wohnsituation annehmbar sein, sondern auch für die Gäste. "Wer ein Feldbett auf dem Flur hat, kann sich gerne bei uns eintragen", sagt Grafemeyer. "Aber wir würden dahin keine Mutter mit Kind vermitteln."

Wer kommt für mögliche Kosten bei versehentlichen Schäden durch Geflüchtete im Wohnraum auf?

"Grundsätzlich muss jeder und jede selbst für Schäden aufkommen, die er oder sie verursacht", sagt Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). Deshalb sollten Menschen, die Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, auch nicht befürchten, dass sie für alle möglichen Schäden haften müssen, die die aufgenommenen Menschen unbeabsichtigt verursachen könnten.

So können Sie spenden

Der "Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung" bietet Menschen, die in Not sind, Unterstützung - in diesen Tagen gerade denjenigen, die vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen. Wer helfen möchte, kann gezielt an den SZ-Adventskalender spenden:

"Adventskalender für gute Werke der Süddeutschen Zeitung e.V."

Stadtsparkasse München

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Verwendungszweck: Ukraine

Sie können hier auch online spenden. Jede Spende wird ohne Abzug dem guten Zweck zugeführt, alle Sach- und Verwaltungskosten trägt der Süddeutsche Verlag. Ein Überblick, welche Möglichkeiten sonst bestehen, Kriegsopfern Hilfe zukommen zu lassen, findet sich unter: www.sz.de/ukrainehilfe

Im Fall von Schäden im Wohnraum, wie unbeabsichtigte Feuer- oder Leitungswasserschäden, bleibt man generell nicht auf den Kosten sitzen. Auch dann nicht, wenn die Verursacher möglicherweise mittellos sind, denn im Wohnraum greift die gewöhnliche Hausrats- und Wohngebäudeversicherung. "Auch hier sind Haus und Inventar weiterhin genauso versichert", sagt Asmussen. Für den Versicherer relevant sei vor allem, wenn Geflüchtete dauerhaft in Räumen untergebracht werden sollen, die bislang nicht zu Wohnzwecken gedient haben. "Wenn Bürogebäude in Wohnraum oder ein Mehrfamilienhaus zu einem Wohnheim für Geflüchtete umgewidmet werden sollen, sollte auch der Versicherer informiert werden", sagt GDV-Hauptgeschäftsführer Asmussen, denn dann seien oft auch andere bauordnungsrechtliche Vorschriften zu beachten, beispielsweise Fluchtwege für eine größere Anzahl von Menschen oder Vorgaben zum Brandschutz.

Welche Schwierigkeiten können bei der Aufnahme von Geflüchteten auftreten?

Viele Ukrainerinnen und Ukrainer sprechen weder deutsch noch englisch, es kann also zu Verständigungsproblemen kommen. Zudem nimmt man Menschen bei sich auf, die möglicherweise traumatische Erlebnisse hinter sich haben oder deren Verwandte noch im Kriegsgebiet sind. "Das ist kein Kulturaustausch", so Grafemeyer von der Vermittlungsplattform Unterkunft Ukraine. "Man muss sich klar sein, dass es ein Akt der Solidarität mit Menschen ist, die vor einem Krieg geflohen sind."

Wer geflüchtete Ukrainerinnen und Ukrainer in der eigenen Wohnung aufnehmen will, sollte also keine großen Erwartungen an seine Gäste stellen. Doris Trabelsi, seit 35 Jahren Flüchtlingshelferin, sagt in einem Interview mit der Zeit: "Die meisten haben Dinge gesehen, die sie verarbeiten müssen. Sie haben Menschen, die sie lieben, zurücklassen müssen, Brüder, Söhne, Partner - diese Angst, die Sorge, den Schmerz müssen sie verarbeiten können." Dafür sei es wichtig, den Geflüchteten einen Ort zu bieten, an dem sie ein gewisses Maß an Privatsphäre haben und zur Ruhe kommen können.

Geflüchtete haben zudem Anspruch auf psychosoziale Betreuung. Ergänzend ist es gut, wenn Helfer sich mit dem Thema der möglichen Traumata von Geflüchteten auseinandersetzen. Das Bamf empfiehlt hierfür den Bamf-Leitfaden zum traumasensiblen Umgang mit Geflüchteten.

Wo findet man weitere Informationen?

Das Bundesinnenministerium beantwortet auf seiner Website Fragen zur Einreise aus der Ukraine. Auch die Vermittlungsorganisation Unterkunft Ukraine hat ein umfangreiches FAQ zusammengestellt. Für die Unterbringung der Geflüchteten sind die Bundesländer und Kommunen zuständig. Viele Informationen gibt es auch bei den lokalen Aufnahmeeinrichtungen oder den Ausländerbehörden. Dort können Ukrainerinnen und Ukrainer sich als Geflüchtete registrieren. Außerdem haben viele Gemeinden bereits vor Ort Hotlines oder zentrale Hilfestellen eingerichtet, bei denen man weitere Informationen einholen kann.

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