Münchner Nahverkehr: MVG will bei U-Bahn, Bus und Tram kürzen

Münchner Nahverkehr: Das Neun-Euro-Ticket gilt nicht nur im Münchner Nahverkehr.

Das Neun-Euro-Ticket gilt nicht nur im Münchner Nahverkehr.

(Foto: imageBROKER/Jan Walter)

Dünnere Takte, verkürzte Strecken, weniger Linien: Die Münchner Verkehrsgesellschaft will bei U-Bahn, Bus und Tram sparen. Die Kritik an den geplanten Streichungen ist groß - beim Fahrgastverband, im Stadtrat und sogar beim MVV.

Von Andreas Schubert

Die Münchner Verkehrsgesellschaft (MVG) muss sparen. Deshalb will sie ihr Angebot zum Fahrplanwechsel im Dezember zurückfahren, sofern vom Bund, dem Freistaat oder der Stadt München kein neues Geld zur Finanzierung des Angebots kommt.

Derzeit stellt die MVG ihre Planungen in den Bezirksausschüssen vor, bevor sich der Stadtrat im Juli damit beschäftigt. Zusätzliche Angebote sind kaum dabei: Geplant sind einige dichtere Bus-Takte während des Schülerverkehrs, eine Verlängerung des Nachtbusses N77 bis zum Bahnhof Freiham und einige geänderte Linienwege mit neuen Haltestellen.

Doch in der Vorlage für die Bezirksausschüsse heißt es unmissverständlich: "Das Angebot der MVG ist durch zu geringe Tarifanpassungen strukturell unterfinanziert. Die Deckung dieser Unterfinanzierung ist derzeit ungeklärt. Daher sieht sich die MVG leider gezwungen, vorsorglich Leistungsanpassungen zur Kostensenkung vorzuschlagen."

Geplante Kürzungen bei der U-Bahn

Das heißt konkret: dünnere Takte, verkürzte Strecken. Bei der U-Bahn soll in den Sommer- und Weihnachtsferien die Verstärkerlinie U7 entfallen. Bei der U4 soll unter der Woche während der Hauptverkehrszeit der Fünf-Minuten-Takt im Abschnitt Lehel-Arabellapark gestrichen werden. Zwischen Westendstraße und Lehel soll die U4 nur noch alle zehn Minuten fahren. Frühmorgens, spätabends und sonntags soll die U4 nur noch zwischen Odeonsplatz und Arabellapark verkehren, die Verbindung Theresienwiese-Odeonsplatz entfällt.

Bei der U6 würden in der Normalverkehrszeit, also etwa zwischen 10 und 17 Uhr, die Verstärkerfahrten zwischen Münchner Freiheit und Harras entfallen. Damit wäre nur noch alle fünf Minuten eine U6 unterwegs, statt alle drei Minuten und 20 Sekunden. Dies gilt auch an Samstagen, wenn keine Fußballspiele oder Großveranstaltungen anstehen.

Weniger Trambahnen geplant

Bei der Trambahn entfällt nach den Planungen zwischen Hauptbahnhof und Willibaldplatz die Linie 29, die bisher unter der Woche die Linien 18 und 19 entlastet. Auf diesem Abschnitt kommt dann nur noch alle fünf Minuten eine Straßenbahn, statt alle drei Minuten und 20 Sekunden. Bei der Tram 25 würden am Samstag die Verstärkerfahrten bis zur Großhesseloher Brücke entfallen. Das bedeutet einen Zehn- statt Fünf-Minuten-Takt. Generell soll der Zehn-Minuten-Takt nach 20 Uhr bei allen Tramlinien gestrichen werden, allerdings nur, wenn auch der "Takt 10 bis 10" bei den Metrobuslinien entfällt.

Münchner Nahverkehr: Bei der Tram soll unter anderem die Linie 29 entfallen.

Bei der Tram soll unter anderem die Linie 29 entfallen.

(Foto: Friedrich Bungert)

Letztere Maßnahme ist ebenfalls auf der Streichliste vermerkt, ebenso wie eine ganze Reihe von Kürzungen bei den Bussen. Der bereits während der Pandemie vor einem Jahr eingestellte Expressbus X98 soll dauerhaft entfallen. Die Nachfrage sei zu gering, heißt es bei der MVG.

Expressbusse vor dem Aus

Ebenso könnten die Expresslinien X30 (Harras-Arabellapark) und X35 (Moosach- Alte Heide) gestrichen werden. Auf acht Linien soll es zudem dünnere Takte geben, etwa bei der Linie 58/68 zwischen Hauptbahnhof und Silberhornstraße. Tagsüber soll sie nur noch alle zehn Minuten verkehren.

Der Fahrgastverband Pro Bahn reagiert auf die geplanten Streichungen mit scharfer Kritik. Die Stadt müsse durch ausreichende Finanzierung ein gutes Angebot ermöglichen, sagt Norbert Moy, oberbayerischer Vorsitzender von Pro Bahn. "Diskussionen wie über 365-Euro-Tickets wirken letztlich als Nebelkerzen, wenn selbst das bisherige Angebot bedroht ist und die dringend nötige Angebotsverbesserung in weite Ferne rückt", so Moy.

Münchner Nahverkehr: Das Sparprogramm soll auch einige Buslinien treffen.

Das Sparprogramm soll auch einige Buslinien treffen.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)

Das Streichprogramm mache es quasi nicht mehr möglich, die verkehrlichen Ziele der Stadt zu erreichen, also den Anteil des öffentlichen Nahverkehrs bis 2030 auf 30 Prozent zu erhöhen. "Wer locker eine Milliarde Euro für eine einzige U-Bahn-Strecke ausgibt - das sind pro Bürger etwa 670 Euro - muss auch in der Lage sein, beispielsweise 20 Euro pro Bürger in ein gutes Angebot zu investieren", sagt Moy in Anspielung auf die Verlängerung der U5 nach Pasing. Dass die Fahrgasteinnahmen die Betriebskosten zu decken haben, sei ein Zerrbild, das die Verkehrswende behindert, und keinesfalls zwingend. So spricht sich Pro Bahn für mehr öffentliche Finanzierung des ÖPNV aus.

Der MVV-Chef kritisiert die Pläne

Das hat auch Bernd Rosenbusch, Chef des Münchner Verkehrs- und Tarifverbunds (MVV), in der Vergangenheit wiederholt getan. Streichungen beim Angebot sieht er kritisch: "Unseres Erachtens braucht es für eine Entlastung der Region vom Autoverkehr vor allem ein gutes Angebot bei Bus und Bahn", sagt Rosenbusch. "Wer ein Auto hat, muss mit dem Losfahren nicht warten. In diese Richtung müssen wir auch beim ÖPNV kommen: Einsteigen und losfahren, ohne mühsam Fahrpläne zu studieren. Je besser der Takt, desto attraktiver die Nutzung." Darüber hinaus sei eine hohe ÖPNV-Nutzung auch energiewirtschaftlich wichtig.

"Die Kürzungen im Leistungsprogramm 2023 gehen in eine ganz falsche Richtung und müssen ganz rückgängig gemacht werden", sagt CSU-Fraktionschef Manuel Pretzl. "Wenn wir mehr Menschen für den ÖPNV und damit für eine nachhaltige Verkehrswende begeistern wollen, müssen wir das bisherige Angebot sogar noch ausweiten und nicht etwa verkleinern."

So sieht es auch Nikolaus Gradl (SPD): "Wir wollen die Verkehrswende, keinen Rückschritt", sagt er. Es sei ein falsches Signal, im kommenden Jahr beim Takt von Tram und U-Bahn Kürzungen vorzunehmen. "Gleichzeitig tragen wir Verantwortung für einen genehmigungsfähigen Haushalt, und dieser ist leider erst im Juli 2022 absehbar."

Auch Paul Bickelbacher (Grüne) will gravierende Leistungskürzungen vermeiden. Im Gegenteil: Um die Verkehrswende zu erreichen, sei in ausgewählten Bereichen - etwa bei der Erschließung des Altstadtrings durch Buslinien - auch zu prüfen, ob Leistungen ausgeweitet werden. "Das muss natürlich im Hinblick auf die finanzielle Lage der MVG und der Stadt entschieden werden", sagt Bickelbacher. "Wenn es 2022 nicht finanziert werden kann, dann zumindest im nächsten Jahr." Um Mittel einzusparen seien höchstens "kluge Anpassungen" denkbar, etwa Verringerungen von einem Takt von drei Minuten und 20 Sekunden auf einen Fünf-Minuten-Takt.

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