Förderpreis Münchner Lichtblicke:Eine Auszeichnung, die in diesem Jahr nur an Frauen geht

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Um direkte Hilfe in Afghanistan kümmert sich die Banu-Initiative. (Foto: Banu)

Der Förderpreis Münchner Lichtblicke 2021 würdigt den Einsatz für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in München. Ihn bekommen die Sozialpädagogin Feyza Palecek, die Banu-Initiative München für afghanische Frauen und Kinder und die "Omas gegen Rechts".

Von Andrea Schlaier

Feyza Palecek kommt um kurz vor halb zehn am Abend von der Arbeit heim. Sie wählt die unbekannte Mobilnummer, die auf ihrem Display erscheint. Jemand hat anscheinend tagsüber vielfach versucht, sie zu erreichen. Könnte alles mögliche dahinter stecken. "Was wollen Sie? Ich bin todmüde!" Für Umschweife reicht die Energie der 67-Jährigen um diese Stunde nicht mehr. Wohl aber für eine dreiviertelstündige Liebeserklärung an das, was sie seit Jahrzehnten im beruflichen Alltag umtreibt: die seelische Verfasstheit von Migrantinnen, eine anständige Gesundheitsversorgung und -prävention für die Frauen, ihre berufliche Integration und damit letztlich ein selbstbestimmtes Leben. Seit 1993 ist die gebürtige Istanbulerin geschäftsführende Leiterin des Vereins Donna Mobile, bei dem es um all das geht. Eine "Aktivistin" nennen manche die Sozialpädagogin, die einst als Mitglied im Ausländerbeirat der Stadt den Frauenausschuss gegründet und geleitet hat. Für ihren Einsatz hat die zweifache Mutter jetzt den Förderpreis "Münchner Lichtblicke 2021" bekommen.

Unermüdlich engagiert: Feyza Palecek, Geschäftsführerin von Donna Mobile im Westend. (Foto: Privat)

Mit dem Preis ehren der Verein Lichterkette, die Stadt München und der Migrationsbeirat Einrichtungen, Projekte und Einzelpersonen, die sich Fremdenfeindlichkeit und Rassismus entgegenstellen und sich in vorbildlicher Weise für ein friedliches Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft in München einsetzen. Diesmal stehen ausschließlich Frauen im Mittelpunkt.

Feyza Palecek wuchs im Istanbuler Stadtteil Yeşilköy auf. "Dort", sagt sie, "wo alle Minderheiten lebten, Armenier, Juden, Griechen... - ich bin in eine Grundschule gegangen, in der mit mir nur sieben Kinder ausschließlich Türkisch gesprochen haben". Sie habe sich fast geschämt, nur eine Sprache zu beherrschen. "Diese Erfahrung hat meinen Horizont erweitert, genauso wie das Gefühl, als Mehrheit in einer Minderheit zu leben." Nach dem Militärputsch von 1971 zieht sie als Au-Pair-Mädchen nach München und studiert Sozialpädagogik.

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Und hier wird sie sich später, so lobt die Jury des Lichtlicke-Preises, "in vorbildlicher Weise" um benachteiligte und zum Teil von Krieg und Fluchterfahrung schwer traumatisierte Frauen kümmern und sie dabei unterstützen, einen Neubeginn zu wagen und beruflich auf eigenen Beinen zu stehen. Migration sei eine Verlusterfahrung, sagt Palecek, "da man was aufgeben muss. Es ist nicht sehr leicht, als Fremde mit allem zurecht zu kommen".

Diese Überforderung könne Menschen labil machen. Raum zu schaffen, um sich darüber in der eigenen Sprache auszutauschen und mit Hilfe von Psychologinnen eine Weg heraus zu finden, ist eine Säule von Donna Mobile. Eine andere Ausbildung, wie die zur Pflegekraft - mit pragmatischem Ansatz: "Es wäre gut, wenn die Frauen im ambulanten Bereich auch Auto fahren könnten", habe man sich im Haus überlegt, so Palecek. "Aber die hatten keinen Führerschein, kein Geld, also haben wir gesagt, machen wir das mit dem Fahrrad." Trotz Pandemie lernten also vergangenes Jahr Migrantinnen in 21 Kursen Rad zu fahren.

Bei der Preisverleihung im alten Rathaussaal wurde in der Kategorie Einrichtungen und Initiativen die Banu-Initiative München für afghanische Frauen und Kinder ausgezeichnet. Sie wird von ausschließlich ehrenamtlichem Engagement getragen und unterstützt zum einen Geflüchtete aus Afghanistan, die in München Begleitung und Hilfe benötigen, zum anderen leistet sie direkte Hilfe in Afghanistan. Dort wurden etwa für Frauen, ihre Kinder und Minderjährige Wohnräume gebaut, um sie vor Übergriffen zu schützen und ihnen ein sicheres Zuhause zu ermöglichen. Die Jury würdigt das "vorbildliche private Engagement" der sieben Gründerinnen Gulalai Ghauss, Else Gebauer, Yesim Buldun, Anita Ghawss, Lida Ghawss, Erdal Buldun und Omid Ghauss.

Der schweigenden Mehrheit eine Stimme geben: Die "Omas gegen Rechts" - hier Elisabeth Redler - erhalten einen Förderpreis. (Foto: Alessandra Schellnegger)

In der Kategorie Projekte ging ein Förderpreis außerdem an die "Omas gegen Rechts München - Tausende Stimmen gegen Rechts". Die Jury lobt die Mitglieder, die etwa "vor der Bundestagswahl die schweigende Mehrheit in München zu persönlichen Stellungnahmen gegen den zunehmenden Rechtsruck und für das Vertrauen in eine funktionierende Demokratie bewegen wollten" und die deshalb Demonstrationen organisiert haben. "Alt sein heißt nicht stumm sein", sagt Elisabeth Redler von der Gruppe.

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