Neues Werk in Cottbus:Bahn baut modernstes ICE-Werk Europas in Cottbus

Neues Werk in Cottbus: Spatenstich mit Luftballons: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Bahnchef Richard Lutz, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Daniela Gerd tom Markotten, DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik (v.l.).

Spatenstich mit Luftballons: Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), Bahnchef Richard Lutz, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Daniela Gerd tom Markotten, DB-Vorständin für Digitalisierung und Technik (v.l.).

(Foto: Patrick Pleul/dpa)

In der strukturschwachen Lausitz errichtet die Bahn ein großes ICE-Instandhaltungswerk. Kanzler Scholz kündigt 1200 neue Jobs an. Sie sollen im Kampf gegen den Frust in der Region helfen.

Von Markus Balser, Berlin

Wie es um den Zugverkehr in Deutschland steht? Der Kanzler gab die Antwort am Dienstagmorgen schon vor der Pressekonferenz mit seiner Ankunft in Cottbus. Olaf Scholz (SPD) wollte zum Spatenstich für ein gewaltiges neues ICE-Instandhaltungswerk offenbar pünktlich kommen und ließ seine schwarze Kanzlerlimousine in den Wendehammer neben dem Hauptbahnhof rollen. Die Bahn hatte schließlich schon in der Einladung vor einer holprigen Anreise per Zug gewarnt. Wegen vieler Baustellen sei auf der Strecke von Berlin nach Cottbus mit "Haltausfällen" zu rechnen, hieß es.

Stillstand aber kann Scholz gerade nicht brauchen. Nicht in diesen Tagen. Denn während ebenfalls in Brandenburg nur gut 200 Kilometer weiter nördlich 1200 Raffineriemitarbeiter in Schwedt wegen eines geplanten EU-Öl-Embargos gegen Russland um ihre Jobs bangen, galt es in Cottbus ein ganz anderes Zeichen zu setzen. Scholz war angereist, um ein Prestigeprojekt für die ganze Region zu starten. Zusammen mit Bahnchef Richard Lutz gab Scholz den offiziellen Startschuss für ein neues Bahn-Werk in der strukturschwachen Lausitz, das gut bezahlte Arbeitsplätze bringen soll.

Ein "Leuchtturmprojekt für den Strukturwandel" nannte es Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD). Der Bau eines neuen Standorts für 1200 Mitarbeiter hat bereits begonnen. Laut Bahn soll daraus das modernste Wartungswerk für die ICE-4-Flotte überhaupt werden, es soll rund eine Milliarde Euro kosten. Noch werden hier klimaschädliche Diesel-Lokomotiven zu Hybridloks umgebaut. Doch auch das ist ein endliches Geschäftsmodell. So wie der Kohleabbau in den benachbarten Tagebauen. Die Bahn soll nun dauerhaft neue Arbeitsplätze bringen. Bis 2024 soll eine erste Halle für 500 Beschäftigte stehen, bis 2026 das ganze Werk fertig sein.

Scholz macht am Dienstag in einer Rede neben der fast 500 Meter langen Baustelle klar, dass derzeit auch ein Spatenstich politisch ist. Die Unterstützung der Ukraine gehe weiter, kündigt der SPD-Politiker an. Auch mit Waffen. Gleichzeitig aber mache die Bundesregierung Tempo bei der Transformation der deutschen Wirtschaft. Dazu gehöre auch der Umbau der Mobilität und der rasche Ausbau der Bahn. Das neue Werk helfe dabei. Denn die Bahn brauche künftig mehr ICE-Züge, also auch mehr Wartungskapazitäten.

Doch es ist nicht nur die Verkehrswende, die den Kanzler zwischen Besuchen des wiedergewählten französischen Präsidenten Emmanuel Macron am Montagabend und Belgiens Premierminister Alexander De Croo am Dienstagmittag schnell nach Cottbus fahren lässt. Er macht klar: Hier wird der Kampf gegen Perspektivlosigkeit und Wut geführt. Die Lausitz sei eine der wichtigsten Industrieregionen in Deutschland überhaupt, sagt der Kanzler. Doch viele Menschen hätten einen Umbruch erlebt, der in ihren Augen ein Abbruch gewesen sei. "Viele stellen sich die Frage: Kommt da noch was?" Der Kanzler ist gekommen, um zu zeigen: Ja.

So soll der große Bahnhof in Cottbus auch einen politischen Erdrutsch in der Region verhindern. Denn in ein paar Monaten könnte ein AfD-Kandidat Bürgermeister in Cottbus und damit erstmals in einer größeren deutschen Stadt werden. Die AfD war hier bei den Kommunalwahlen 2019 stärkste Kraft. Bei den Landtagswahlen im gleichen Jahr holte sie das Direktmandat.

Die Regierung streitet heftig um die richtige Bahn-Politik

Bei dem Bahn-Besuch geht es für Scholz aber auch um ein ganz anderes Problem. Denn innerhalb von Scholz' Regierung wird heftig gestritten über den richtigen Kurs in der Bahn-Politik. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) will offenbar deutlich weniger Geld für den Ausbau zur Verfügung stellen, als es die Bahn für vorgesehene Projekte braucht. Intern warnen Wissings Beamte bereits vor einem "wachsenden Investitionsstau". Die Finanzierung des Schienenverkehrs sei "dramatisch unterfinanziert". Bis 2030 fehlen demnach mehrere Milliarden Euro. Sonst könnten Bauvorhaben auf der Strecke bleiben.

Bleibt es dabei, dürfte auch das Ziel der Bundesregierung außer Reichweite geraten, den Bahnverkehr bis 2030 für mehr Klimaschutz zu verdoppeln. Im Bundestag wächst Kritik an der harten Finanzhaltung gegenüber der Bahn. In diesem Jahr seien offenbar keine zusätzlichen Mittel für neue Bahnstrecken drin, und auch in den kommenden Jahren solle es "kaum mehr Geld geben", warnt der Linken-Haushaltspolitiker Victor Perli. Die Regierung werde deshalb "krachend dabei scheitern, die Leistung der Bahn deutlich zu erhöhen und den Deutschlandtakt umzusetzen". Ohne bessere Infrastruktur könne die Bahn nicht mehr Menschen transportieren, sagte Perli.

Ein Problem will die Regierung bei Infrastrukturprojekten allerdings nun schnell lösen. Scholz kündigte am Dienstag eine Beschleunigung bei Planungs- und Genehmigungsverfahren für Großvorhaben an. "Zukunftsprojekte auf den Gebieten Energie, Infrastruktur, Bau und Umweltrecht werden wir künftig in der Hälfte der Zeit planen und genehmigen", sagte er. Noch in diesem Jahr werde die Bundesregierung dafür alle notwendigen Entscheidungen treffen.

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