Lissabon:Die Straße der Freiheit wird autofrei

Lissabon: Die Avenida da Liberdade galt lange als der Ort Lissabons mit der schlechtesten Luftqualität.

Die Avenida da Liberdade galt lange als der Ort Lissabons mit der schlechtesten Luftqualität.

(Foto: Imago/Global Imagens)

Lissabons Prunkstraße Avenida da Liberdade hat eine miserable Luftqualität. Nun werden Autos ausgesperrt - zumindest am Wochenende. Und das ist nur ein erster Schritt.

Von Karin Janker, Madrid

Lissabon lädt zum Flanieren ein, denkt der Tourist, wenn er unter den lila blühenden Jacaranda-Bäumen die Hügel der portugiesischen Hauptstadt erklimmt, hier an ein paar Schaufenstern vorbeibummelt, dort ein Foto von einer besonders pittoresken Kachelfassade schießt. Doch der Portugiese weiß: Lissabon ist wie jede andere europäische Großstadt nicht für Fußgängerinnen und Fußgänger, sondern für Autos gemacht.

Besonders deutlich vor Augen geführt wird einem das täglich an der Avenida da Liberdade, jener gut einen Kilometer langen Prunkstraße nach dem Vorbild der Pariser Champs-Élysées, die seit 140 Jahren die Lissaboner Unterstadt mit den höhergelegenen Vierteln im Norden verbindet. Zwar stehen auf der 90 Meter breiten Avenida auch Palmen und Platanen, von denen einige schon hundert Jahre alt sind, den akustischen und olfaktorischen Eindruck der Prunkstraße dominieren allerdings die Autokolonnen, die sich an den Bäumen vorbeischieben.

Die Avenida da Liberdade galt lange als der Ort Lissabons mit der schlechtesten Luftqualität. Die Konzentration von Stickstoffdioxid erreichte dem Umweltverband Zero zufolge in den vergangenen Jahren immer wieder besorgniserregende Werte. Das soll sich nun ändern: Lissabons Stadtrat hat beschlossen, dass die Avenida da Liberdade künftig an Sonn- und Feiertagen autofrei sein wird.

Die Initiative dafür kam allerdings nicht von Bürgermeister Carlos Moedas. Der gehört der konservativ-liberalen Partido Social Democrata an und stellte sich - wie manch andere konservative und liberale Politiker - meist quer, wenn es darum ging, den Autoverkehr einzuschränken. Am Mittwoch wurde Moedas, der bis 2019 in Brüssel EU-Kommissar für Forschung, Wissenschaft und Innovation war, von der linken Opposition im Rathaus überstimmt.

Unter dem Motto "A Rua é Sua" (zu Deutsch: Die Straße gehört euch) setzte der Stadtrat nicht nur die Autofreiheit für die Avenida der Freiheit durch, sondern auch eine Verringerung der Höchstgeschwindigkeit auf allen Straßen um zehn Stundenkilometer. Dort, wo man früher 40 km/h fahren durfte, ist künftig also nur noch Tempo 30 erlaubt, und auf den Stadtautobahnen gilt eine Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometern pro Stunde.

In Lissabon ist ein Wettstreit entstanden: Wer hat die besseren Ideen fürs Klima?

Die linken Parteien im Rathaus greifen damit eine Idee wieder auf, die sie bereits vor zwei Jahren hatten. Damals regierte noch ein sozialistischer Bürgermeister in Lissabon und dieser begann in den ersten Monaten der Pandemie damit, einzelne Straßenabschnitte bunt anmalen zu lassen. In Blau, Grün und Rosa markierte die Stadt damals Pop-up-Radwege und neue Fußgängerzonen - die knalligen Farben waren nicht zu übersehen, Autofahrerinnen und Anwohner reagierten laut Medienberichten "verblüfft" über die plötzlichen Sperrungen.

Lissabon: Während der Pandemie war die Avenida da Liberdade in Lissabon so leer wie lange nicht.

Während der Pandemie war die Avenida da Liberdade in Lissabon so leer wie lange nicht.

(Foto: Orlando Almeida/Imago/ Global Imagens)

Einen autofreien Sonntag auf der Avenida da Liberdade pro Monat führte man testweise ebenfalls ein. Noch mehr halfen allerdings die Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung der portugiesischen Regierung: Dem Umweltverband Zero zufolge verzeichnete die Messstation an der Avenida im Frühjahr 2020, als strenge Ausgangsbeschränkungen galten, die niedrigsten Schadstoffwerte seit Beginn des 21. Jahrhunderts.

Der Verein forderte damals, man müsse "aus der Krise lernen". Nun scheint in Lissabon ein Wettstreit darüber ausgebrochen zu sein, wer dafür das beste Konzept hat. Die Verkehrsberuhigung der Avenida da Liberdade und das neue Tempolimit sollen, wenn es nach der Opposition geht, nur ein erster Schritt sein. Man denke über die Elektrifizierung sämtlicher Taxis der Stadt nach und wolle weitere Fußgängerzonen ausweisen - diesmal aber die Anwohnerinnen und Anwohner vorher einweihen.

Auch Bürgermeister Moedas zieht jetzt nach. Er will den öffentlichen Nahverkehr für Studierende und Rentner kostenlos machen und betont explizit: Dies sei nicht etwa eine soziale Maßnahme zur Entlastung von Geringverdienern, sondern eine für den Klimaschutz. So geht Wettbewerb.

Korrektur: In einer früheren Fassung dieses Artikels haben wir das Motto "A Rua é Sua" fälschlicherweise mit "Die Stadt gehört dir" übersetzt. Richtig muss es heißen: "Die Straße gehört euch."

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