Amtsgericht Fürstenfeldbruck:Florian Jäger wegen Volksverhetzung verurteilt

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AfD-Kreisrat Florian Jäger bei seinem Prozess am Brucker Amtsgericht Anfang Juli 2022. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Der Kreisvorsitzende der Fürstenfeldbrucker AfD und ehemalige Bundestagsabgeordnete wird schuldig gesprochen, in einem Video und Kommentar auf Facebook den Holocaust verharmlost zu haben.

Von Thomas Radlmaier, Fürstenfeldbruck

Der Kreisvorsitzende der Fürstenfeldbrucker AfD und ehemalige Bundestagsabgeordnete Florian Jäger aus Olching ist vor dem Amtsgericht wegen Volksverhetzung verurteilt worden. Richterin Alexandra Marinelli sprach den 51-Jährigen in einer Verhandlung am Mittwochnachmittag schuldig, in einem Kommentar und Video auf Facebook den Holocaust verharmlost zu haben. Jäger muss eine Geldstrafe in Höhe von 5400 Euro (90 Tagessätze à 60 Euro) bezahlen.

Jäger veröffentlichte am 6. Dezember vergangenen Jahres auf seiner Facebook-Seite ein Video. Darin und in einem zum Video gehörigen Post verglich er die Situation von ungeimpften Menschen in der Corona-Pandemie mit der Verfolgung von Jüdinnen und Juden in den Novemberpogromen 1938. Er warf Politikern, allen voran dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vor, nach der Methode der Nationalsozialisten den "Volkszorn" auf nicht geimpfte Menschen zu entfachen. In dem Kommentar zum Video schrieb er: "Im Herbst 1938 entlud sich in der Pogromnacht ein sogenannter Volkszorn gegen Juden im Deutschen Reich. Jüdische Geschäfte wurden geplündert, Synagogen in Brand gesteckt und unzählige Juden wurden misshandelt und ermordet. (...) Aktuell wird nach bekanntem Muster ein Sündenbock für das katastrophale Politikversagen der Regierenden gesucht, und Söder hat ihn gefunden. Es ist der ,Ungeimpfte'."

"Sobald man solche Vergleiche heranzieht, verlässt man den Bereich der Meinungsfreiheit."

Das Video und der Post gingen viral. Bis zum 5. Januar wurde der Beitrag 3401 mal mit "Gefällt mir" markiert und 2598 mal geteilt. Insgesamt ploppten 647 Kommentare unter dem Video auf.

Oberstaatsanwalt Andreas Franck, der Antisemitismusbeauftragte der bayerischen Justiz, ermittelte daraufhin gegen Jäger. In der Verhandlung warf er dem AfD-Kreisvorsitzenden vor, durch seinen Post die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie mit der systematischen Mord an sechs Millionen Juden während der NS-Diktatur gleichzusetzen. "Der millionenfache Mord an Juden auf der einen Seite und Sie können nicht mehr in den Klub auf der anderen Seite - das ist ein krasses Missverhältnis." Das miteinander zu vergleichen, "kann man Ihnen nicht durchgehen lassen".

Jäger wehrte sich gegen die Vorwürfe, verhehlte aber nicht seine getätigten Äußerungen. Doch mit diesen habe er auf keinen Fall die Situation der Ungeimpften mit der der Juden während der NS-Zeit verglichen, sagte er. Vielmehr habe er auf "das Muster des Sündenbocks" abstellen wollen. Er zitierte mehrere Politiker und Ärztesprecher, die angeblich die Schuld an den Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie auf ungeimpfte Menschen abgewälzt hätten. Er erzählte, dass er nach dem Abitur ein Jahr in Israel verbracht und dort mit Holocaust-Überlebenden gesprochen habe. Es sei absurd, ihm eine Verharmlosung des Holocaust vorzuwerfen. Jägers Anwalt plädierte auf Freispruch.

Richterin Alexandra Marinelli sah das anders. Sie sagte in Richtung des Angeklagten, er habe in seinem Post und Video auf die Reichspogromnacht Bezug genommen und einen Zusammenhang mit der der Situation von ungeimpften Menschen hergestellt. Was in der Pogromnacht 1938 passiert sei, sei der Beginn der systematischen Vernichtung der Juden gewesen. Natürlich dürfe man die Corona-Politik oder Äußerungen gegenüber Ungeimpften mit drastischen Worten kritisieren. "Doch sobald man solche Vergleiche heranzieht, verlässt man den Bereich der Meinungsfreiheit."

Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Nach der Verhandlung sagte Jäger, er werde sich nun überlegen, ob er Berufung einlegen werde.

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