Pullach:Rechtsaufsicht soll Vertrag mit United Initiators prüfen

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Über die umstrittene Erweiterung des Chemiewerks von United Initiators dürfen die Pullacher voraussichtlich nicht abstimmen. (Foto: Sebastian Gabriel)

FDP-Gemeinderat Betz schaltet im Streit um die Erweiterung des Chemiewerks das Landratsamt ein.

Von Michael Morosow, Pullach

Dass der städtebauliche Vertrag, den die Gemeinde Pullach mit dem im Ort ansässigen Chemiewerk United Initiators (UI) geschlossen hat, nicht das Papier wert sei, auf dem er steht, ist dieser Tage gängige Floskel der Gegner der Erweiterungs- und Umbaupläne des Konzerns. Das Vertragswerk, in der jüngsten Sitzung des Gemeinderates von Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund (Grüne) unterzeichnet, erlangt zwar erst seine Gültigkeit, wenn am 23. Oktober der Ausgang des Bürgerentscheids über das heftig umstrittene Vorhaben dies zulässt. Bis dahin wird also noch viel Wasser die Isar hinunterlaufen. Unabhängig davon hat nun FDP-Gemeinderat Alexander Betz die Rechtsaufsicht des Landratsamtes München eingeschaltet, weil er davon ausgeht, dass bislang öffentlich nicht bekannte Besitzerverhältnisse auf dem Areal des Chemiewerks sowohl den Vertrag als auch die Grundvereinbarungen wirkungslos machen könnten.

Durch die Offenlegung des Vertrags war erst bekannt geworden, dass die Grundstücke auf dem Werksgelände nicht ausschließlich im Eigentum von UI stehen, sondern auch der US-amerikanischen Briefkastenfirma Bayern Acquisition LLC. Betz argwöhnt, dass für jene Grundstücke, die dieser Briefkastenfirma gehören, das gesamte Vertragswerk null und nichtig wäre. Seine Bedenken wurden denn auch von der Nachricht befeuert, wonach Equistone Partners Europe, der Eigentümer von United Initiators, sechs Jahre nach der Übernahme wieder verkaufen will. Nach Darstellungen von Rathauschefin Tausendfreund, UI-Sprecher Stephan Heller und auch von Gemeinderat Andreas Most (Pullach plus), der er als Zweiter Bürgermeister in allen 37 Verhandlungsrunden mit am Tisch gesessen und teils auch die Verhandlungen für die Gemeinde geführt hatte, sind die Befürchtungen unberechtigt. United Initiators wie auch die Bayern LLC seien Vertragspartner und Grundstückseigentümer von unterschiedlichen Teilflächen der Liegenschaft. "Beide Gesellschaften haften gemeinsam, für die Erfüllung von Vertragspflichten ist eine Kaution hinterlegt, zudem wird eine Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen", erklärte zuletzt Firmensprecher Stephan Heller. Und Tausendfreund wird nicht müde zu betonen, dass UI bereits Baurecht besitze, wenn ein Vertragsabschluss scheitere, die Gemeinde keinen Einfluss mehr auf das ganze Vorhaben mehr nehmen könne und die städtebaulichen Ziele der Gemeinde keine Rolle mehr spielten.

Nun hat sich auch der Rechtsanwalt Alexander von Bergwelt dazu zu Wort gemeldet. Der Pullacher, der der Bürgerinitiative "Schützt die Isarauen" nahesteht, gibt sich davon überzeugt, dass die Rechtsnachfolge-Klausel nicht wasserfest ist. Jeder noch so kleine Bruchteil, der der amerikanischen Gesellschaft bei Abschluss des städtebaulichen Vertrags gehöre, sei vom städtebaulichen Vertrag nicht umfasst, heißt es in einem Schreiben Bergwelts an die Bürgerinitiative, das der SZ vorliegt. Nur United Initiators unterschreibe den Vertrag, nicht jedoch die in Delaware ansässige Briefkastenfirma.

In der Kritik am Inhalt des städtebaulichen Vertrags sind sich alle einig

Während in dieser Frage noch die rechtliche Beurteilung der Rechtsaufsicht aussteht, sind sich sowohl Befürworter als auch Kritiker der Pläne des Chemiewerks in einem Punkt weitgehend einig: Der städtebauliche Vertrag erfüllt nur einen Bruchteil dessen, was sich die Verhandlungsführer auf Seiten der Gemeinde davon versprochen hatten. Einen Großteil der Wünsche der Gemeinde hat UI mit einem dicken schwarzen Stift überzogen und so das ursprünglich mehr als 100 Seiten fassende Vertragswerk auf gerade einmal 17 Seiten eingedampft.

Geblieben ist unter anderem die Verpflichtung von UI, höchstens 1600 Tonnen organischer Peroxide in den neuen Hallen zu lagern, Wände nicht höher als 20 Meter zu errichten, außer es seien technische Aufbauten nötig, auf allen dafür geeigneten Dächern Solarplatten zu installieren und die Werksfeuerwehr aufrecht zu erhalten. "Viel zu wenig", urteilt Agenda-Sprecher Peter Kloeber, der vor allem Vereinbarungen zu Klimaschutz vermisst, dabei eine zügige Umstellung der Stromversorgung des Werks von Erdgas auf regenerative Energieträger. Mit 150 000 Megawattstunden verbrauche der Konzern so viel Strom wie alle privaten Haushalte der Stadt Augsburg zusammen, was einem Äquivalent von 20 bis 30 Windrädern entspreche.

In einer früheren Fassung hieß es fälschlich, der Rechtsanwalt Alexander von Bergwelt habe seine Aussagen gegenüber der SZ getätigt. Tatsächlich äußerte er sich wie erwähnt in einem Schreiben an die Bürgerinitiative.

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