Italien:Partner, panisch gesucht

Italien: Enrico Letta, Chef des Partito Democratico (PD)

Sucht unermüdlich Verbündete: Enrico Letta, Chef des Partito Democratico (PD), der mit Italiens Rechten konkurriert.

(Foto: Remo Casilli/Reuters)

Um dem Rechtsbündnis bei den Parlamentswahlen im September etwas entgegensetzen zu können, müssen sich andere Parteien zusammentun. Das erweist sich als schwierig.

Von Andrea Bachstein

Partnersuche ist heikel, erst recht in Torschlusspanik. Doch so passiert es gerade in Rom. Wer sich mit wem warum verbündet, diese Frage bewegt in Italien die Parteien heftig, die nicht zur Rechten zählen. Medien veröffentlichen jeden Halbsatz, der bei den Partnersuchen fällt, ob es um einzelne Politiker oder Parteien geht. Der Wahlkampf läuft an, während der Feiertag Ferragosto naht, spätestens am 15. August will möglichst jeder in Italien am Meer oder in den Bergen sein. Aber es sind auch nur sechs Wochen bis zur Parlamentswahl am 25. September, und das Wahlrecht treibt die Parteien, Partnerschaften vorher einzugehen.

Wenig bewegt sich derweil in den Umfragen. Das Bündnis der postfaschistischen Fratelli d'Italia (FdI) mit der rechtspopulistischen Lega und Silvio Berlusconis bürgerlicher Forza Italia führt weiter klar mit um die 46 Prozent, gut die Hälfte ziehen allein Giorgia Melonis Brüder Italiens auf sich. Meloni, die von sich sagte, sie blicke entspannt auf den Faschismus, die Viktor Orbán als Modell sieht und bis zum Ukraine-Krieg Wladimir Putin bewunderte, hat beste Aussichten, Italiens Regierungschefin zu werden. Geradezu verzweifelt wollen andere Parteien das verhindern.

Stärkster Konkurrent der Rechten ist der sozialdemokratische Partito Democratico (PD), der in Umfragen gleichauf oder knapp unter den FdI abschneidet. Um diese Kraft müsste sich eine Allianz bündeln, um eine Chance zu haben. PD-Chef Enrico Letta sucht seit Wochen unermüdlich Verbündete. Das ist mühsam, er hat es mit Kleinparteien zu tun, die bei 1,5 bis vier Prozent liegen. Ein Bündnis mit den dezimierten Fünf Sternen, die bei zehn, elf Prozent stehen, schloss Letta kategorisch aus, weil sie das Ende der Regierung von Mario Draghi ausgelöst haben.

Letta hat auch schon Partner ausgemacht: die von der früheren EU-Kommissarin Emma Bonino geführte Più Europa (Mehr Europa) und die mit dieser verbündete Azione (Aktion), die Sinistra Italiana (Italienische Linke) und deren Partnerin Europa Verde (Grünes Europa). Die Kleinen könnten laut Umfragen zehn Prozent beisteuern, aber insgesamt bleibt das zehn Prozent unter dem, was die Rechte erwarten kann. Und Lettas Allianz ist schon gebröckelt, ehe sie recht stand: Nach wenigen Tagen hat Azione-Führer Carlo Calenda den Pakt mit der PD gekündigt. Der konsternierte Letta sagte, Calenda könne sich wohl nur mit sich selbst verbünden.

"Die schmerzhafteste Entscheidung meines Lebens"

Carlo Calenda ist ein selbstbewusster Mann jenseits des Politiker-Schemas in Italien. Er war in der Wirtschaft tätig und lange parteilos. Als Letta Premier war, berief er ihn 2013 als Vizewirtschaftsminister, Calenda diente noch zwei weiteren Premiers. Kurz war er PD-Mitglied: Vor der Wahl 2018 trat er ein, 2019 wieder aus. Er hielt die Koalition mit den Fünf Sternen für falsch und gründete die Azione. Er nennt sich liberal-progressistisch. Wie Letta ist er überzeugter Europäer, sie waren einig, die Agenda Draghi weiterzuführen.

Warum er dann den eben gewählten Partner versetzt hat, erklärte Calenda zuerst in der Fernsehsendung der Politikjournalistin Lucia Annunziata, die ihre Gäste sonntags in viel beachtete Einzelverhöre nimmt. Es sei "die schmerzhafteste Entscheidung meines Lebens" gewesen, sagte Calenda. Er nannte Gründe, die alte Schwachstellen italienischer Politik, speziell des PD, beleuchten. Zu lange, sagte Calenda, habe der PD nicht für etwas gearbeitet, sondern gegen jemanden - Berlusconi, an dem sich der PD aufrieb.

Nun, so sagt Calenda, drohe der PD das zu wiederholen - mit einem Bündnis, nur gezimmert, um eine Rechtsregierung zu verhindern. Stimmen anzuhäufen, reiche aber nicht, es brauche eine programmatische Politik der Taten.

Den Pakt mit Letta schloss Calenda, ehe der Sinistra Italiana und die linke Europa Verde mit ins Boot nahm, obwohl sie in einigen Grundsatzfragen abweichen. So ein Bündnis, noch dazu mit desertierten Fünf-Sterne-Leuten, sei Wählern nicht vermittelbar und müsse scheitern, urteilte Calenda. Auch da traf er einen wunden Punkt, der PD zerfleischte sich lange in linken Flügelkämpfen. Er habe gehofft, so Calenda, dass der PD den Mut hätte, als die linksliberale Partei aufzutreten, die keine noch linkere Facette brauche.

Calenda hat dann, wenig überraschend, das Gespräch mit einem anderen prominenten früheren PD-Mann gesucht: Matteo Renzi, dem Ex-Premier, der die Partei aufgemischt und Letta 2014 unsanft als Regierungschef verdrängt hatte. Seit 2019 führt er seine Partei Italia Viva (IV) und will die große Leerstelle in Italiens Politiklandschaft füllen, die liberale Mitte.

Dümpeln bei zwei Prozent

Der eloquente Renzi ist öffentlich stark präsent, aber seine Partei dümpelt wie die Calendas bei um die zwei Prozent. Calenda war auch in Renzis Kabinett, sie sind fast gleich alt, 49 und 47 Jahre, und meinen nun, ganz gut zueinanderzupassen. Renzi war sofort begeistert, dass Calenda doch nicht mit dem PD antritt: Nun sei die große Gelegenheit da für ein "terzo polo", sagte er, ein drittes politisches Lager in der Mitte.

Am Mittwoch wollten sie die Wahlkreise aufteilen. Das ist nicht leicht bei dem komplizierten Wahlgesetz Rosatellum, gemischt aus Proporz- und Mehrheitssystem. Um ins Parlament einzuziehen, braucht eine Partei mindestens drei, ein Bündnis zehn Prozent. Diesen Wert oder mehr zu erreichen und den Ausschlag zu geben, wer regieren kann, hoffen Renzi und Calenda. Jedenfalls sind sie mit ihren großen Egos gerade eines der spannenden Paare Italiens.

Während allen droht, dass stärkste Partei die der frustrierten Nichtwähler wird, geht es bei den Fünf Sternen weiter drunter und drüber, sie müssen viele Kandidaten neu rekrutieren, weil Gründer Beppe Grillo auf dem Prinzip der maximal zwei Mandate für ihre Politiker besteht, so können einige der wichtigsten Sterne nicht mehr antreten.

Die Rechten zeigen sich einig, Meloni beteuert, zu Italiens Westanbindung zu stehen, und nennt es Schmutzkampagne, dass Medien ihre Verbindung zu militanten Rechtsextremen und Faschisten dokumentieren. Lega-Chef Matteo Salvini beschwört wie früher als Innenminister das Gespenst einer riesigen Migrantenwelle, gegen die nur er sich stemmt. Und Silvio Berlusconi macht mit 85, was er stets in Wahlkämpfen tat: Versprechungen - von der Flat Tax bis zum Pflanzen von Millionen Bäumen.

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