Autokauf:Warten auf das E-Auto

Autokauf: Parkplatz der Tesla Giga Factory Grünheide: Die Lieferzeiten des kalifornischen Elektro-Pioniers sind vergleichsweise moderat.

Parkplatz der Tesla Giga Factory Grünheide: Die Lieferzeiten des kalifornischen Elektro-Pioniers sind vergleichsweise moderat.

(Foto: Jochen Eckel/Imago)

Nie waren die Lieferzeiten für ein neues Fahrzeug so lang wie jetzt - ein Jahr ist eher die Regel als die Ausnahme. Wie kommt man trotzdem zügig an ein passendes Modell?

Von Joachim Becker

Fast jeder fünfte Neuwagen in Deutschland ist mittlerweile vollelektrisch unterwegs - und es wären noch mehr, wenn alle Hersteller liefern könnten. Für viele Interessenten bedeutet der Umstieg auf die E-Mobilität daher: warten, warten, warten. Oft dauert es viele Monate, bis das Wunschauto beim Händler tatsächlich abgeholt werden kann.

Angeheizt wird die Antriebswende durch den Umweltbonus. Bis zum Jahresende gilt noch Schnäppchenalarm, danach wird die Förderung schrittweise heruntergefahren und für Plug-in-Hybride ganz gestrichen. Sinkt dann die Nachfrage nach den Steckermobilen, werden die Lieferzeiten also kürzer?

Neben den geringeren Subventionen dürften auch die steigenden Energie- und Anschaffungskosten sowie die Inflation und der Konjunkturabschwung dämpfend auf die Nachfrage wirken. Aber gelöst ist das Problem der langen Lieferfristen damit noch nicht.

Was tun die deutschen Autohersteller?

Ein Grund für die langen Wartezeiten ist die konservative Planung der traditionellen Hersteller. Trotz des Tesla-Erfolgs rüsten sie ihre Fabriken nur langsam um - und werden nun von der Nachfrage in vielen Fällen überrumpelt. Bestes Beispiel ist VW mit dem ID Buzz. Wo immer der neue Mikrobus parkt, wird er von neugierigen Passanten umringt. Mit der Zweifarb-Lackierung, dem Smiley-Gesicht und dem riesigen Markenemblem erinnert er an den Ur-Bulli aus den Fünfzigerjahren.

Den vollelektrischen Emotions-Transporter gibt es aber nur in einer streng limitierten Auflage: Die Kapazität im engen VW-Werk für Nutzfahrzeuge in Hannover ist auf 150 000 Stück pro Jahr gedeckelt. Entsprechend liegt die Wartezeit bei mindestens zehn Monaten. Wer den Bulli mit der fröhlichen Zweifarb-Lackierung haben will, muss sich sogar 16 Monate gedulden. Denn lackiert wird - wie bei Luxuskarossen - zum Teil von Hand.

Noch so ein Kandidat mit 16 Monaten Wartezeit ist der BMW i4, der mittlerweile zum meistgefragten Modell des Sportablegers BMW M avanciert ist. Vorhergesehen hat das in München niemand. Die mittelfristig eingeplanten 120 000 i4 pro Jahr seien viel zu wenig, das Doppelte sei möglich, hatte der langjährige BMW-Betriebsratsboss Manfred Schoch schon in diesem Frühjahr gewarnt. Jetzt versuchen die Münchner umzusteuern.

"Es gab sehr viele Vergleiche in den Autozeitschriften zwischen dem M3 und dem i4 M50, also mit der Frage, wie gut der Batterieantrieb ist. Mit dem Ergebnis, dass alle erstaunt waren, dass es ein typisches BMW-M-Modell ist", erklärt BMW-Entwicklungsvorstand Frank Weber. Deshalb sei die Nachfrage global hoch. "Und wir tun alles dafür, um das Produktionsvolumen im nächsten Jahr deutlich zu steigern, sobald es keine Lieferprobleme bei Mikrochips mehr gibt."

Wann läuft der Nachschub wieder normal?

Ausgelöst wurde die Chipkrise ursprünglich durch die Corona-Lockdowns seit dem Frühjahr 2020. Die Autohersteller mussten vielerorts ihre Produktion stoppen und stornierten Bestellungen bei den Halbleiterherstellern. Nur um dann festzustellen, dass die Lust am Auto durch das Virus nicht gemindert, sondern eher noch gesteigert wurde. Doch viele Chip-Fabriken hatten ihre Produktion bereits umgestellt. Denn noch schneller als die Nachfrage nach Autos stieg die Lust auf Unterhaltungselektronik, mit der sich die Langeweile im Lockdown vertreiben ließ.

Die Autohersteller machen mit dem Mangel gute Geschäfte: Die verfügbaren Mikrochips teilen sie kurzerhand den teuersten Modellen mit der höchsten Marge zu. Deshalb warten Autokunden auf günstige Einstiegsmodelle mit Benzinmotoren ähnlich lange wie auf Elektroautos - wenn sie überhaupt bestellbar sind. Und Rabatte sind selten geworden.

Mittlerweile geht die Nachfrage nach Unterhaltungselektronik zwar deutlich zurück, doch bei den Lieferzeiten gibt es noch immer keine Entwarnung. "Halbleiter der älteren Generationen, die häufig noch in der Automobil- und Industrieelektronik verbaut werden, bleiben auf absehbare Zeit weiterhin knapp", heißt es in einer neuen Studie der Unternehmensberatung Roland Berger.

Welche Alternativen gibt es?

Die neue Elektrowelle wirbelt den Automarkt gründlich durcheinander. Die koreanische Marke Hyundai kann ihren Marktanteil durch innovative Modelle wie den Hyundai Ioniq 5 in Deutschland auf knapp acht Prozent bei den Stromern nahezu verdoppeln - entsprechend beträgt die Wartezeit für das vielfach ausgezeichnete 800-Volt-Modell acht Monate; der etwas günstigere Kona Elektro ist nur noch eingeschränkt bestellbar. Auch andere Billigmarken von einst wie Škoda und Kia verkaufen plötzlich mehr als 50 000 Euro teure Hightech-Autos wie geschnitten Brot. Die Antriebswende ist ihre große Chance, sich in Europa höher zu positionieren und neue Kunden zu gewinnen.

Das ist auch nötig, denn die nächsten Herausforderer aus China stehen schon bereit. Nio-Geschäftsführer Ralph Kranz verspricht etwa, dass die neue E-Limousine ET7 innerhalb von vier Wochen lieferbar sei. Aber auch dieses Kontingent ist beschränkt - und die Wagen sind schon gebaut, also nicht mehr frei konfigurierbar. Bei den Importmarken aus Asien, die ihre Neuwagen per Schiff nach Europa bringen, gibt es eine größere Anzahl solcher Vorführwagen oder Bestandsfahrzeuge auf den Höfen der Händler. Sie sind meist gut ausgestattet, dafür muss man Abstriche bei Sonderwünschen machen - beispielsweise bei Farben und Polstern.

Wie wird es 2023 weitergehen?

Marktexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet eine komplette Trendwende: "Da die Lieferketten stabiler werden, steigt die Produktion, aber in wichtigen Regionen wie Europa fehlen die Kunden. Der Automarkt fällt mit der Gesamtwirtschaft in die Rezession." Auch BMW rechnet mit einem Abschwung, in dem jüngsten Quartalsbericht heißt es: "Hohe Inflationsraten und steigende Zinssätze verschlechtern die Rahmenbedingungen für die Verbraucher und werden sich in den kommenden Monaten auf das Konsumverhalten auswirken. Erwartet wird eine Normalisierung des überdurchschnittlich hohen Auftragsbestands - insbesondere in Europa."

Höhere Verfügbarkeit bei sinkender Nachfrage bedeutet: kürzere Lieferzeiten und steigende Kaufanreize. Experten rechnen zudem damit, dass Kunden vermehrt von bereits unterschriebenen Kaufverträgen zurücktreten. Damit werden lange bestellte Fahrzeuge für andere Interessenten frei. Ferdinand Dudenhöffer erwartet, dass dann die gewohnten zweistelligen Rabatte ebenfalls zurückkommen. Solche Preisnachlässe können sich hinter Tageszulassungen, Vorführ- und Dienstwagen verstecken, die nach kurzer Zeit als junge Gebrauchte mit entsprechenden Abschlägen vom Listenpreis verkauft werden.

Aus Sicht vieler Kunden und Kundinnen könnte sich der Autokauf tatsächlich normalisieren. Zumindest, wenn sie keine Finanzierung brauchen oder einen Leasing-Vertrag abschließen wollen. Denn Alternativen zur Barzahlung dürften wegen der hohen Zinsen deutlich teurer werden.

Was muss man jetzt beachten?

Die Lieferzeiten werden im nächsten Jahr kürzer, aber das gilt nicht für alle E-Fahrzeuge gleichermaßen. Für besonders beliebte Modelle müssen die Hersteller erst neue Produktionskapazitäten schaffen: Die kapitalen Brummer mit mehr als zwei Tonnen Gewicht sind zu schwer für die bisherigen Transportbänder. Und in Amerika geht der Elektro-Boom durch neue staatliche Förderprogramme jetzt erst richtig los. Das dürfte die Nachfrage nach Modellen wie dem BMW i4 und VW ID Buzz weiter anheizen. Ein Ende der Lieferengpässe ist hier also nicht so schnell in Sicht.

Vorsicht ist momentan bei der Unterzeichnung eines Kaufvertrags geboten. Gerade die deutschen Marken haben aufgrund der hohen Inflationsrate sogenannte Gleitklauseln in ihre Verträge integriert. Beträgt die Lieferzeit mehr als drei Monate, muss der Kunde damit rechnen, dass der Wagen am Ende viele Hundert Euro teurer wird als vereinbart: Statt der ursprünglichen Listenpreise gelten diejenigen, die zum Zeitpunkt der Auslieferung gültig sind. Aktuell erhöhen viele Hersteller alle drei bis vier Monate ihre Preise.

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