Fußball-WM:DFB kritisiert "One Love"-Verbot der Fifa

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Verbandspräsident Bernd Neuendorf verurteilt die "Machtdemonstration" des Weltverbandes. Dies sei "ein beispielloser Vorgang der WM-Geschichte".

Die Spitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) hat das Fifa-Verbot für die "One Love"-Kapitänsbinde von Manuel Neuer scharf kritisiert. "Es handelt sich aus meiner Sicht um eine Machtdemonstration der Fifa", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Montag im Teamquartier in Norden Katars. "Das ist aus unserer Sicht mehr als frustrierend und auch ein beispielloser Vorgang der WM-Geschichte." DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff äußerte, es fühle sich "schon stark nach Zensur an".

Die Fifa hatte das Tragen der mehrfarbigen und symbolträchtigen Kapitänsbinde mehrerer europäischer Nationen zuvor untersagt und den Verbänden sportliche Sanktionen angedroht. "Die Fifa hat eine Aussage für Diversität und Menschenrechte untersagt. Das sind Werte, zu denen sie sich in ihren eigenen Statuten verpflichtet", sagte Neuendorf. "Wir wollen nicht, dass der Konflikt, den wir zweifellos haben, auf den Rücken der Spieler ausgetragen wird. Wir stehen zu unseren Werten."

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Er glaube nicht, dass sich der DFB dem Vorwurf aussetzen müssen, "dass wir eingeknickt sind", sagte Neuendorf und verwies darauf, dass der DFB Fifa-Präsident Gianni Infantino keine Stimme für dessen Präsidentschaftswahl im kommenden März zugesagt hatte. "Das war ein deutliches Signal Richtung Fifa, dass wir nicht bereit sind, bestimmte Dinge, die seitens der Fifa kommen, mitzutragen." Bierhoff berichtete, dass das Verbot auch für die Spieler frustrierend sei. "Auch für Manuel ist es eine schwierige Situation", sagte der Ex-Profi.

KNVB: Entscheidung der Fifa geht "gegen den Geist des Sports"

Der DFB bestätigte der Deutschen Presse-Agentur eine gemeinsame Stellungnahme. "Dass die Fifa uns auf dem Platz bestrafen will, ist einmalig und geht gegen den Geist des Sports, der Millionen verbindet", hieß es vom niederländischen Verband KNVB: "Wir stehen zur 'One Love'-Botschaft und werden diese weiter verbreiten, aber unsere oberste Priorität ist es, Spiele zu gewinnen. Da möchte man nicht, dass der Kapitän das Spiel mit einer Gelben Karte beginnt."

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Der erste Kapitän, der während der Endrunde offen gegen die Fifa-Regularien verstoßen hätte, wäre Englands Harry Kane im Spiel am Montag gegen Iran gewesen. "Wir waren bereit gewesen, Strafen zu zahlen, was normalerweise bei Verstößen gegen Kleider-Regularien der Fall wäre. Dennoch konnten wir unsere Spieler nicht in eine Situation bringen, in der sie eine Gelbe Karte bekommen könnten oder gar gezwungen werden, das Spielfeld zu verlassen", hieß es in der von der englischen FA verbreiteten gemeinsamen Stellungnahme.

Fan-Organisation: Fifa hat "der Toleranz die rote Karte" gezeigt

Scharfe Kritik an der Fifa gab es auch von der Fan-Organisation Football Supporters' Association (FSA). "Heute werden sich LGBT+-Fußballfans und ihre Verbündeten wütend fühlen. Heute fühlen wir uns verraten", schrieb die FSA in einem Statement auf Twitter. "Heute empfinden wir Verachtung für eine Organisation, die ihre wahren Werte unter Beweis gestellt hat, indem sie den Spielern die gelbe Karte und der Toleranz die rote Karte gezeigt hat." Die englische Abkürzung LGBT+ steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans-Menschen. Das Pluszeichen ist ein Platzhalter für weitere Identitäten und Geschlechter.

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"Nie wieder sollte eine Fußballweltmeisterschaft ausschließlich auf der Grundlage von Geld und Infrastruktur vergeben werden", hieß es in der Stellungnahme der FSA weiter. "Keinem Land, das bei LGBT+-Rechten, Frauenrechten, Arbeitnehmerrechten oder einem anderen universellen Menschenrechten zu kurz kommt, sollte die Ehre zuteilwerden, eine Fußballweltmeisterschaft auszurichten", so die Fan-Organisation.

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DFB-Präsident Bernd Neuendorf hatte bereits am Sonntag von Meinungsverschiedenheiten mit der Fifa gesprochen, aber noch geäußert: "Wir haben gesagt, wir bleiben dabei, dass wir mit der Binde auflaufen. (...) Wir haben mit langem Vorlauf die Fifa immer wieder darauf hingewiesen, dass wir mit dieser Binde auflaufen wollen, es gab keine Reaktion der Fifa dazu." Nach Beratungen am Montag änderten die Verbände ihre Meinung.

Die Kampagne war eine im September angekündigte gemeinsame Aktion der Teams aus Deutschland, England, den Niederlanden, Belgien, Schweiz, Wales, Frankreich, Dänemark sowie Norwegen und Schweden, die beide nicht für die WM qualifiziert sind.

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