Konjunkturaussichten:Zu früh für grenzenlosen Optimismus

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Die chinesische Regierung will das Wirtschaftswachstum wieder ankurbeln. Doch dafür muss sie erst verlorenes Vertrauen bei Investoren und den eigenen Bürgern wiedergewinnen

Von Florian Müller, Peking

Das vergangene Jahr war sehr schwer für Frau Huo. "Wegen der Pandemie kamen keine Kunden", erzählt die Immobilienmaklerin aus der zentralchinesischen Stadt Zhengzhou am Telefon. Die Immobilienpreise seien um ein Fünftel eingebrochen, ihr Einkommen gar um zwei Drittel. Seit dem Ende der Corona-Restriktionen kämen zwar wieder Interessenten. Diese hätten auch genügend Ersparnisse für die Anzahlung. "Doch sie sind verunsichert wegen der vielen Bauruinen und wissen nicht hundertprozentig, ob sie sich den Kredit auch zukünftig leisten können." Bis der Markt wieder das Niveau vor der Krise erreicht, werde es dauern, glaubt Huo.

So wie die Immobilienmaklerin klingen die meisten Geschäftsleute in China: Das Schlimmste sei überstanden, doch für grenzenlosen Optimismus sei es noch zu früh. Diesen Optimismus will die chinesische Regierung wieder anfachen, wenn sie kommendes Wochenende den Volkskongress einberuft und die wirtschaftspolitischen Leitlinien für dieses Jahr festlegt. Nach einem historisch schlechten Ergebnis von drei Prozent Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr erwarten die meisten Analysten für 2023 ein Wachstum um die fünf Prozent. Doch es gibt zahlreiche Fragezeichen.

Der Immobiliensektor stürzte in eine Krise

Da ist zum einen der Immobiliensektor, der für rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung steht, für bis zu 80 Prozent der Ersparnisse der Mittelklasse und 40 Prozent des Haushalts von Lokalregierungen. Er geriet in eine Liquiditätskrise, als die Regierung den hochverschuldeten Baufirmen vor rund anderthalb Jahren den Kredithahn zudrehte. Bauprojekte stoppten, Preise purzelten, viele Eigenheimbesitzer bekamen Existenzängste, den Kommunen brachen die Einnahmen durch Landverkäufe weg. Zuletzt drehte die Regierung den Geldhahn wieder auf, der Markt stabilisiert sich auf niedrigem Niveau. Doch ob er wieder so stark zum Wachstum beitragen kann und soll wie in der Vergangenheit, ist fraglich.

Dann der Exportsektor, einer der wenigen boomenden Bereiche während der Pandemiejahre. Er ist stark abhängig von der Weltwirtschaft, und die schwächelt noch wegen des Ukraine-Kriegs und der hohen Inflation, obschon es zuletzt wieder positiver aussieht. Die chinesische Regierung umwirbt seit der Corona-Öffnung auch wieder ausländische Investoren. Doch die trauen den Versprechungen von mehr Marktzugang nicht recht, nachdem die erhofften Reformen seit Jahren nicht gekommen sind. Zudem sorgen die wachsenden Konflikte zwischen China und den USA für weitere Unsicherheit, das ist Gift für Investitionen. Die Jahre von China als Werkbank der Welt scheinen gezählt.

Die Löhne steigen schon lange nicht mehr

Bleiben die heimischen Konsumenten als Hoffnungsschimmer. Die Regierung hat bereits verkündet, diese wieder zum Geldausgeben bringen zu wollen. Doch während die Haushalte auf Rekord-Ersparnissen sitzen, kämpfen sie mit Zukunftssorgen. Die Reallöhne sind schon lange nicht mehr nennenswert gestiegen, die Jugendarbeitslosigkeit bleibt hoch. Immerhin verbreitet der Dienstleistungssektor wieder positive Stimmung. Nach dem Ende der Ausgangssperren gehen die Chinesen wieder in die Restaurants, Hotels und Kinos. Doch auch hier müssen erst die Verluste des vergangenen Jahres wieder reingeholt werden - und die Gefahr einer zweiten Corona-Welle sollte ebenfalls nicht unterschätzt werden, auch wenn das in China gerade niemand hören will.

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