Ausstellung in Glonn:Zweifacher Phönix

Ausstellung in Glonn: Was diese Kohlköpfe sollen? Im Auftrag von Sven Friedel "Gegen Rassismus" demonstrieren.

Was diese Kohlköpfe sollen? Im Auftrag von Sven Friedel "Gegen Rassismus" demonstrieren.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Sowohl Sven Friedel als auch Karin Nahr legen in der Schrottgalerie Zeugnis ab von ihrer nach wie vor überbordenden Kreativität. Ein höchst harmonisches Zusammenspiel von Schrottobjekten und Malerei.

Von Anja Blum, Glonn

Lange war es nun ziemlich still um Sven Friedel. Der Tausendsassa aus Glonn hatte die Handbremse ziehen müssen. Schulrektor, Fußballtrainer, Künstler sowie Impresario der Schrottgalerie, und das alles mit großer Leidenschaft - das war dann offenbar doch ein bisschen zu viel, selbst für ein gestandenes Mannsbild wie ihn. Doch vor einem halben Jahr hat Friedel wieder angefangen, in seiner Garage zu schweißen. Und wie! Einmal entflammt, gibt es bei ihm kein Halten. Das beweist nun eine Ausstellung in der Schrottgalerie, die Friedels Arbeiten zusammen mit jenen der Malerin Karin Nahr zeigt, die sich zuletzt wegen gesundheitlicher Probleme ebenfalls zurückgezogen hatte. Jetzt aber sind beide, Nahr und Friedel, wiederauferstanden wie der Phönix, indem sie Zeugnis ablegen von ihrer nach wie vor überbordenden Kreativität.

Ausstellung in Glonn: Künstler im Spiegel: Karin Nahr und Sven Friedel vor der interaktiven Installation "Dein Kopf".

Künstler im Spiegel: Karin Nahr und Sven Friedel vor der interaktiven Installation "Dein Kopf".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Ein Zusammenspiel, das mindestens so sehr harmoniert wie jenes der Bands, die jedes Wochenende die Gäste der Schrottgalerie beglücken. Nach der Vernissage am Donnerstag, 2. März, geht es gleich am Freitag weiter mit dem Schimmer Trio: Evelyn Huber an der Harfe, Gustavo Strauss an der Geige und Jakob Lakner an der Klarinette präsentieren kammermusikalischen Klezmer, Jazz und Tango - bestimmt ein Erlebnis. Und am Samstag, 4. März, wird so richtig abgegroovt: Da bieten MO´FAZZ! Soul, Funk, Jazz und Latin.

Friedel und Nahr kennen sich schon lange, sie sind und waren Kollegen, als Kreative, aber auch als Pädagogen. Nahr nämlich unterrichtete einst Kunst an einer Mittelschule, die Friedel leitete. Aber auch privat kreuzten sich die Wege immer wieder, weil beide in der Kunstszene der Region sehr aktiv waren. "Richtig zusammen ausgestellt haben wir aber noch nie", sagt Friedel - und grinst. Aus seiner Freude, Nahr auf einer Bank mit Bergblick zu der Aktion bewogen zu haben, macht er keinen Hehl: Es sei toll, dass ihre Kunst nun wieder gesehen werde. "Außerdem ist es eine Ehre für mich, mit ihr auszustellen."

Ausstellung in Glonn: Der Mensch steht in dieser Schau im Mittelpunkt. Hier ein Porträt, das Karin Nahr aus Farbe und Wachs erschaffen hat.

Der Mensch steht in dieser Schau im Mittelpunkt. Hier ein Porträt, das Karin Nahr aus Farbe und Wachs erschaffen hat.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

"Köpfe und..." hat Friedel als Thema für die gemeinsame Schau ersonnen - das die beiden Kunstschaffenden aus Glonn auf sehr unterschiedliche Weise umgesetzt haben. Schrottwandler Friedel bevölkert die Galerie mit seinen dreidimensionalen Objekten, Malerin Nahr zeigt an den Wänden mit Zeichnungen, Drucken, Gravuren und Miniaturen auf Keramik ihre technische Vielseitigkeit. Doch überall blickt der Betrachter in Gesichter: Sowohl Friedel als auch Nahr haben Porträts, Figuren in Bewegung und kleine Szenen erschaffen. Der Mensch, er steht hier im Mittelpunkt. In seiner Individualität, aber auch mit all seinen Facetten, den schönen und den schrecklichen.

Letzteres trifft vor allem auf Sven Friedels Arbeiten zu. Bei manchen Themen verspüre er eine unglaubliche Wut, sagt er. Zum Beispiel bei Rassismus. Die Antwort des Schrottwandlers darauf ist eine große, eindringliche Installation: zwei Krautköpfe, ein heller und ein dunkler, nebeneinander aufgespießt auf einem Metallgestell. Laut Friedels Werkverzeichnis eine "unbezahlbare" Utopie. Ein anderes, ähnlich gelagertes Werk widmet sich dem Thema "Missbrauch": Einst fand der Künstler eine Reihe alter Türbeschläge, weinende Schlüssellöcher, die nun in stummer Anklage an der Wand befestigt sind. "Dafür möchte ich zwei- bis dreihundert Euro", sagt Friedel. "Für den Kinderschutzbund."

Ausstellung in Glonn: Sven Friedels künstlerischer Kommentar zum Thema "Missbrauch".

Sven Friedels künstlerischer Kommentar zum Thema "Missbrauch".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Doch der Glonner beackert beileibe nicht nur schwere Themen. Viele seiner Objekte, die allesamt aus Müll bestehen, sind freundlich, humorvoll gar. Schon alleine deshalb, weil sie ja von einer Rettung erzählen, von einem zweiten Leben nach dem Schrottplatz. "Jede dieser Figuren hat eine Geschichte", sagt der Künstler, nämlich jene der Herkunft und ursprünglichen Funktion ihres Materials. Vor allem Metall schweißt Friedel neu zusammen, verarbeitet aber auch Holz und Stein. Eine Pfeife aus der abgerissenen Orgel von Tuntenhausen, alte Autoteile, einen Wurzelstock, Kugellager, Sensenblätter - all das weiß er zu Skulpturen zusammenzufügen, seien sie nun abstrakt, comic-ähnlich oder eher realistisch.

Ausstellung in Glonn: Diesen "Schutzengel für Radler" hat der Schrottwandler aus einem verrosteten Pedal erschaffen.

Diesen "Schutzengel für Radler" hat der Schrottwandler aus einem verrosteten Pedal erschaffen.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

So manches Mal wird Friedel dabei auch richtig persönlich. Der "Grundlinienblick" zum Beispiel ist einem ehemaligen Tennisgegner gewidmet. "Der hat mich mit seiner Arroganz zur Raserei gebracht", erzählt der Künstler und lacht - die Rache ist ein nicht gerade hübsches Porträt aus Verpackungspapier, Bällen als Augen und einem alten Tennisschläger. Wieder ernst hingegen wird es bei Ken Saro-Wiwa. Auch den nigerianischen Bürgerrechtler und Schriftsteller, der 1995 in einem Schauprozess zum Tode verurteilt und später gehängt wurde, hat Friedel porträtiert. Eine beileibe nicht nur handwerklich beeindruckende Arbeit. "Der Baron von der Schinderbruggn" wiederum ist eine Hommage an Friedels eigene Herkunft: Er ist aufgewachsen im einstigen Münchner Glasscherbenviertel Sendling, wo der Flaucher viel Raum bot für allerhand einprägsame Erlebnisse.

Ausstellung in Glonn: Einem ermordeten Bürgerrechtler ist diese Arbeit gewidmet.

Einem ermordeten Bürgerrechtler ist diese Arbeit gewidmet.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Während Friedels Objekte Einzelgänger sind, ist Karin Nahrs Metier die Variation. Zwischen Malerei und Grafik changierend, arbeitet sie Motive gerne in verschiedenen Techniken aus. Da wird dann aus einer Zeichnung zunächst ein Wachsbild und anschließend vielleicht noch ein Siebdruck. "Und das Spannende ist ja, dass dadurch jedes Mal ein ganz anderer Ausdruck entsteht", sagt Nahr. "Allein schon durch eine andere Farbgebung kann ein Druck komplett verändert wirken." Einer Frau namens Margit zum Beispiel begegnet man in der Ausstellung öfter, mal eher wild, mal streng, mal rätselhaft kommen die Porträts daher. Nahr lässt sich dabei auch gerne vom eigenen Werk überraschen: "Ein Farbverlauf, eine bizarre Form, eine spontane Assoziation - und man ändert die ursprüngliche Intention!"

Ausstellung in Glonn: Diese Version einer Frau namens Margit nennt Karin Nahr "Gerücht".

Diese Version einer Frau namens Margit nennt Karin Nahr "Gerücht".

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Besonders reizvoll sind Nahrs Wachsbilder: Dank flüssigem Paraffin, einer Nadel sowie Acryl- oder Ölfarbe bieten diese eine reizvolle Verbindung feiner Linien mit malerischen Strukturen. "Das gefällt mir sehr", gesteht auch die Künstlerin selbst. Manche dieser Arbeiten bieten auch eine freiere Umsetzung des Themas. Betitelt mit "Annäherung" oder "Berührung" und entstanden aus ursprünglichen Klecksbildern zeigen sie feine, organisch anmutende Gebilde in einem betörenden Hell-dunkel-Kontrast. Überhaupt: Farbe braucht Nahr nur sehr wenig, sie schafft starken Ausdruck auch in der Reduktion.

Ausstellung in Glonn: Äußerst schwungvoll kommt dieser "Schaukler" daher.

Äußerst schwungvoll kommt dieser "Schaukler" daher.

(Foto: Peter Hinz-Rosin)

Das gilt auch für ihre "Nackerten". Weil Nahr lang beim Aktzeichnen des Ebersberger Kunstvereins war, stapeln sich bei ihr die entsprechenden Blätter. Und auch hier hat sie viele Skizzen später in anderen Techniken ausgearbeitet, in Tusche, mit Wachs oder als Monotypien. Zu sehen gibt es da Paare wie Einsame, Stoische wie Bewegte. Und sie alle gehen irgendwie gleich ans Gemüt, gerade mit ihren reizvollen Leerstellen, und mit ihren deutlich zu Tage tretenden Empfindungen. Das Leben ist eben mühsam. Aber manchmal auch sehr schön. Gerade in der Schrottgalerie.

"Köpfe und...": Ausstellung von Karin Nahr und Sven Friedel in der Glonner Schrottgalerie, Vernissage am Donnerstag, 2. März, um 19 Uhr. Weitere Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 4./5. März von 12 bis 17 Uhr sowie an den Konzertabenden. Anmeldung per Mail an reservierung@schrottgalerie.de oder unter www.schrottgalerie.de

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