KZ-Gedenkstätte Dachau:Streit um Fördergelder eskaliert bei Gedenkveranstaltung

KZ-Gedenkstätte Dachau: Bei einer Ausstellung zum 90. Jahrestag der Eröffnung des KZ in Dachau thematisieren Markus Söder (links) und Karl Freller (rechts) den Streit um Fördergelder für die Gedenkstätte. SPD-Abgeordneter Michael Schrodi (Mitte) sieht darin ein Wahlkampfmanöver.

Bei einer Ausstellung zum 90. Jahrestag der Eröffnung des KZ in Dachau thematisieren Markus Söder (links) und Karl Freller (rechts) den Streit um Fördergelder für die Gedenkstätte. SPD-Abgeordneter Michael Schrodi (Mitte) sieht darin ein Wahlkampfmanöver.

(Foto: Niels P. Jørgensen)

Eigentlich soll am Mittwoch eine Ausstellung in der KZ-Gedenkstätte eröffnet werden. Doch Ministerpräsident Markus Söder thematisiert den Streit um fehlende Mittel. Und holt sich den Vorwurf ab, mit Erinnerungspolitik Wahlkampf zu machen.

Von Leonard Scharfenberg und Jessica Schober, Dachau

Es geht alles ganz schnell. Markus Söder dreht sich um. "Jetzt seien Sie mal still und reißen Sie sich zusammen", zischt der Ministerpräsident dem SPD-Bundestagsabgeordneten Michael Schrodi zu. Der hat kurz zuvor laut widersprochen, als der Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten Karl Freller (CSU) in seiner Rede seiner Enttäuschung über die Bundesregierung Ausdruck verlieh. Schrodi sagt: "Das ist keine Wahlkampfveranstaltung hier."

Dieser Schlagabtausch findet in einer der nachgebauten Häftlingsbaracken der KZ-Gedenkstätte Dachau statt. Freller ist hier, um ein Grußwort zu halten. Vor genau 90 Jahren haben die Nationalsozialisten in Dachau das Konzentrationslager eröffnet. Es bleibt als einziges dieser frühen Lager bis zum Ende der NS-Herrschaft bestehen. Die Gedenkstätte hat eine Wanderausstellung zur Anfangszeit des KZ-Systems erarbeitet, zu deren Eröffnung am Mittwoch Politiker, Angehörige ehemaliger Häftlinge und Religionsvertreter gekommen sind. Doch die Veranstaltung wird überschattet vom Vorwurf der bayerischen Staatsregierung, bei der ausstehenden Sanierung der Gedenkstätten Dachau und Flossenbürg vom Bund alleine gelassen zu werden.

Die betroffene Förderrichtlinie habe nur ein Volumen von fünf Millionen Euro

In dem Streit der vergangenen Monate geht es nicht nur darum, wer wie viel zahlen soll. Sondern auch um die Frage, wie die fehlenden Fördergelder zu beantragen sind. Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) hatte bei der Kulturstaatsministerin des Bundes, Claudia Roth (Grüne), eine Förderung für die Sanierung und Neukonzeption in Höhe von etwa 31,5 Millionen Euro beantragt. Daraufhin folgte nach längerem Schweigen die Ablehnung des Antrags. Er sei schlicht an die falsche Stelle gerichtet worden, schrieb Claudia Roth. Die betroffene Förderrichtlinie sei ausschließlich für konzeptionelle Arbeit eingerichtet und habe nur ein Volumen von insgesamt fünf Millionen Euro. Man habe die bayerischen Antragssteller darüber aber bereits "wiederholt mündlich und schriftlich informiert". Für die beantragten umfassenden baulichen Maßnahmen solle man andere Förderinstrumente des Bundes in Betracht ziehen.

Dieser Darstellung widersprechen das bayerische Kultusministerium und die Stiftung Bayerische Gedenkstätten entschieden. Bis zur ablehnenden Antwort auf den Förderantrag Mitte März sei man aus Berlin keineswegs wiederholt informiert worden. Die Ablehnung sei "inadäquat", heißt es von Michael Piazolo. Der Bund werde mit der Ablehnung des Antrags seiner historischen Verantwortung für diese wichtigen "Opferorte" nicht gerecht.

Bei den Nachfahren von ehemaligen Häftlingen löst Freller damit Unverständnis aus

Dass Freller die Auseinandersetzung aber auf der Gedenkveranstaltung zum Thema gemacht hat, liege - so erzählt er - vor allem an dem offenen Brief, der am Montag aus der Grünen-Landtagsfraktion an ihn und Piazolo geschickt worden sei. Darin werde die Frage aufgeworfen, warum Stiftung und Landesregierung die Hinweise der Kulturstaatsministerin des Bundes ignoriert hätten. Es werde von Fehlern bei der Antragsstellung geschrieben, die "der Bedeutung der Gedenkstätte nicht gerecht werden". Für Freller, so sagt er, sei nach diesem Brief klar gewesen: Er müsse das ansprechen. Dass kurz vor so einem Gedenktag die Medien voll seien mit solchen Anschuldigungen, das sei nicht sauber, sagt er. Das Schreiben sei "ein Angriff auf die Professionalität und den Fleiß meiner Mitarbeiter".

Bei manchen Besuchern der Gedenkveranstaltung löst Frellers Eingehen auf den Konflikt Unverständnis aus. Andrea Halbritter ist Enkelin eines Dachauer Häftlings und aktiv bei der Lagergemeinschaft Dachau. Sie wirft der CSU vor, den Tag zu "Wahlkampfzwecken genutzt zu haben". Halbritter wisse von Seiten der Gedenkstätte, dass man dort auch noch auf Zusagen der Staatsregierung warte.

Am Ende der Veranstaltung fängt Halbritter den Ministerpräsidenten ab und fragt ihn danach. Der bleibt, wie bereits in seiner Rede, sehr allgemein. Söder betont an diesem Tag immer und immer wieder, der Jahrestag und die Ausstellung seien für ihn und seine Regierung ein Impuls zum Handeln. Den Streit mit dem Bund erwähnt auch er: Er sei der Sache unangemessen, und Bayern stehe bereit, ihn zu beenden. "Am Ende soll es eine vernünftige Lösung geben und keine bürokratischen Debatten", sagt Söder. Doch später lässt auch er es sich nicht nehmen, ein paar Spitzen gegen Berlin zu formulieren. "Jetzt gibt es hier auf einmal Probleme, die es mit vorangehenden Bundesregierungen nie gegeben hat", sagt er. Er verstehe zudem nicht, warum Berlin das Thema so öffentlich diskutiere. Sowas sollte man untereinander klären. Unterdessen zeigt auch Claudia Roth sich zuversichtlich, eine Lösung zu finden, wie es aus Berlin heißt. Roth wörtlich: "Die Erinnerung an die Barbarei des NS-Terrors wach zu halten, das schulden wir den Opfern von damals."

"Dass Söder und Freller hier nicht als Neutrum auftreten, ist doch erwartbar."

Der Dachauer Bundestagsabgeordnete und finanzpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Michael Schrodi ist nach der Ausstellungseröffnung sichtbar aufgewühlt. Die Landesregierung habe wider besseres Wissen einen fehlerhaften Antrag gestellt, um Stimmung gegen Berlin zu machen, sagt er. Es rege ihn wirklich auf, dass jetzt so eine wichtige Veranstaltung "für den Landtagswahlkampf missbraucht wird". In diesen Momenten, sagt Schrodi, zeige sich die "charakterliche Uneignung" des Ministerpräsidenten.

Er sei da nicht so kritisch, sagt dagegen Ernst Grube - Überlebender von Theresienstadt und Präsident der Lagergemeinschaft. "Dass Söder und Freller hier nicht als Neutrum auftreten, ist doch erwartbar", sagt er. Ein bisschen schade sei es dennoch, dass jetzt der Fokus so auf dem Parteipolitischen liege. Denn die Ausstellung sei wirklich bedeutend. Schließlich hätten die Nazis in den Anfangsjahren in Dachau für alle späteren Konzentrationslager ausprobiert und entwickelt. In Zeiten von erstarkendem Rassismus und Antisemitismus sei es besonders wichtig, diese Dynamiken zu verstehen. Außerdem sei alleine schon mit der Vorbereitung der Wanderausstellung bundesweit "ein Miteinander" mobilisiert worden. Grube sagt, er hoffe, dass dies anhalte.

Ein solches Miteinander müssten jetzt nur noch Bundes- und Landesregierung finden. Einen Lichtblick gibt es bereits: Sowohl Claudia Roth als auch Karl Freller erwähnen das neue Bundesförderprogramm "KulturInvest". Bleibt nur abzuwarten, ob schon vor der Landtagswahl im Oktober eine Einigung zu erzielen ist.

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