"In aller Ruhe" mit Carolin Emcke:"Glauben heißt Fliegen" - Ahmad Milad Karimi über den Islam

Lesezeit: 2 min

"Ich werde nie sagen können, ob ich am nächsten Tag weiterhin glaube", sagt Ahmad Milad Karimi in dieser Folge von "In aller Ruhe". (Foto: Daniel Biskup/Bearbeitung: SZ)

Wie sehr haben seine Kindheit im Krieg in Afghanistan und der Jahrhundertfußballer Diego Maradona den Glauben von Ahmad Milad Karimi geprägt? Darum geht es in dieser Folge von "In aller Ruhe" mit Carolin Emcke.

Podcast von Carolin Emcke; Text von Johannes Korsche

Wenn in der Öffentlichkeit vom Islam die Rede ist, dann sind in aller Regel die Schlagworte Extremismus und Terrorismus nicht weit. Dass diese Einseitigkeit dieser Religion nicht gerecht wird, versteht sich von selbst. Aber: Was bedeutet Glauben im Islam? Welche Wirkung hat das gemeinschaftliche Fasten während des Ramadan auf die Glaubensgemeinschaft? Und: Was hat der Jahrhundertfußballer Diego Armando Maradona mit Gott zu tun? Darum geht es in dieser Folge von In aller Ruhe mit Carolin Emcke.

Zu Gast ist diesmal: Ahmad Milad Karimi. Karimi, geboren 1979 in Kabul, studierte Philosophie und Islamwissenschaften an der Universität Freiburg und promovierte 2012 mit einer Arbeit über Hegel und Heidegger. Karimi ist Professor für Kalām, islamische Philosophie und Mystik, an der Universität Münster. Zudem ist er stellvertretender Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster und Direktor der internationalen Muhammad Iqbal-Forschungsstelle. Karimis Familie floh vor dem Krieg als er 13 Jahre alt war. 2019 erhielt er den Voltaire-Preis für "Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz" der Universität Potsdam.

"Ich werde nie sagen können, ob ich am nächsten Tag noch glaube"

Im Gespräch mit Carolin Emcke erinnert sich Karimi an seine Kindheit in Kabul - und besonders an einen Moment: "Während wir in der Moschee waren und das Singen des Korans zu lernen hatten, gab es einen Angriff - wie gewohnt. Das gehörte zu dieser Kindheit. Raketenangriffe sind ganz eigen: Sie sind abrupt und sie sind unheimlich laut. Man muss innehalten, man muss sich erst einmal orientieren. Aus welcher Richtung kommt das und wo ist es gelandet? Das haben wir wie immer gemacht. Und dann war auch üblich, kurz zu warten, ob noch weitere Angriffe kommen oder ob es nur eine Rakete war. Wir bemerkten, es kommen weitere. Und dann gab es Panik. Alle mussten rennen und wir auch. Der Imam wollte uns dort halten, aber keiner wollte bleiben. Alle rannten. Auch ich rannte und beim Laufen bemerke ich, dass ein Bettler immer noch dort sitzt. Aber regungslos, als wäre gar nichts. Ich bin an ihm vorbei gelaufen, drehte mich um beim Rennen und fragte: Haben Sie keine Angst? Wollen sich nicht verstecken?" Der schaute mich an und sagte: "Ich habe meine Zuflucht bei Gott gefunden. Wohin soll ich denn flüchten?" Das sagte er in einer ruhigen Stimme zu mir und ich lief natürlich weiter. Aber beim beim Rennen merkte ich, wie meine Beine schwerer wurden, wie ich langsamer wurde und immer langsamer. Ich war dann der Letzte, der angekommen ist."

Außerdem geht es darum, was die Liebe und der Glaube gemein haben: "Liebe ist gerade dann Liebe, wenn wir auch die Verletzlichkeit der Liebe mittragen. Es gibt keine Garantie für die Liebe, die wir empfinden. Ich kann niemandem sagen: Ich werde dich morgen genauso lieben wie heute. Und - ich hoffe, aber - ich werde nie sagen können, ob ich am nächsten Tag weiterhin glaube. " Und Karimi erzählt davon, warum ihn nach dem Nachtgebet immer eine Schwere überkommt. Außerdem in dieser Folge: Carolin Emcke und Ahmad Milad Karimi disktuieren, welches Tor von Diego Armando Maradona bei der WM 1986 im Spiel gegen England das göttlichere war: Das erste mit der "Hand Gottes" oder das zweite, bei dem er seinen Sololauf, der zum Tor führen sollte, noch in der eigenen Hälfte begonnen hat.

Empfehlung von Ahmad Milad Karimi

YouTube

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von YouTube angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von YouTube angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Ahmad Milad Karimi empfiehlt die Serie This is Us. Die Serie ist auf Amazon Prime und Disney+ zu sehen: "Eine unglaublich berührende Geschichte", sagt Karimi. Erzählt werde die Geschichte dreier Generationen - und zwar gleichzeitig. "Das alle in dieser Gegenwart sind. Das hat was von dem, was wir in der Theologie den Blick Gottes nennen. Für Gott ist alles Gegenwart. "

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

"In aller Ruhe" mit Carolin Emcke
:"Faschistische Revolutionen" - Mirjam Zadoff über Trump, AfD und den globalen Rechtsruck

Was bedeutet es, wenn geschichtsrevisionistische Kräfte erstarken? Und wie verändert sich das Gedenken an unserer NS-Geschichte in einer zunehmend diversen Gesellschaft? Darüber spricht Mirjam Zadoff, die Leiterin des NS-Dokumentationszentrums in München.

Podcast von Carolin Emcke; Text von Johannes Korsche

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: