Bund und Länder:Neuer Streit über die Flüchtlingsfinanzierung

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Geflüchtete aus der Ukraine laufen nach ihrer Ankunft durch die Eingangshalle vom Messebahnhof Laatzen in Hannover. (Foto: Michael Matthey/dpa)

Die Länder sind empört, weil der Bund ihnen Hilfen streichen will. Anfang November wollte man weiterreden. Doch die Arbeitsgruppe, die das vorbereiten sollte, geht ergebnislos auseinander.

Von Daniel Brössler und Henrike Roßbach, Berlin

Bund und Länder steuern abermals auf eine harte Auseinandersetzung über die künftige Flüchtlingsfinanzierung zu. Am Montag hieß es aus Teilnehmerkreisen, dass die Arbeitsgruppe, die eigentlich eine gemeinsame Grundlage für das Bund-Länder-Treffen zur Migration am 6. November erarbeiten sollte, ohne Ergebnis auseinandergegangen sei.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe den Ländern im Mai ein "dauerhaftes, atmendes System der Flüchtlingsfinanzierung in Aussicht gestellt". Nun aber habe der Bund den Ländern für 2024 eine deutliche Reduzierung der Bundeshilfen angekündigt, war aus Länderkreisen zu hören.

Statt 3,75 Milliarden Euro wie in diesem Jahr wolle die Bundesregierung 2024 nur noch 1,7 Milliarden Euro zahlen - also weniger als die Hälfte. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen und der Belastungen in den Kommunen sei das bei den Ländern auf großes Unverständnis gestoßen. Zudem wolle sich der Bund auch an den Kosten für Flüchtlinge, die bereits im Land seien, "erheblich weniger beteiligen". Die Beteiligung an den Integrations-, Schul- und Kitakosten für ukrainische Flüchtlinge solle sogar "vollständig entfallen". Mit Blick auf die Lage vor Ort sei das "inakzeptabel".

Der Bund argumentiert: Ukrainer erhalten sofort Bürgergeld

Der Bund sieht die Dinge naturgemäß anders und macht eine andere Rechnung auf. Im laufenden Jahr zahle die Bundesregierung zwar in der Tat mit 3,75 Milliarden Euro mehr an die Länder, als sie im kommenden Jahr zu zahlen bereit ist, hieß es aus Regierungskreisen. Allerdings seien in den 3,75 Milliarden auch Mittel für die Finanzierung der Ukraine-Flüchtlinge enthalten - und die sollen nach dem Willen des Bundes nächstes Jahr tatsächlich entfallen.

Der Grund: Bereits seit Mitte 2022 durchlaufen ukrainische Flüchtlinge kein Asylverfahren, sondern werden sofort nach ihrer Ankunft ins Bürgergeld aufgenommen. Anders als die Leistungen während des Asylverfahrens aber zahlt das Bürgergeld der Bund. Weil Ukrainer nach wie vor die größte Flüchtlingsgruppe sind, wurden die Länder durch diesen Schritt also stark entlastet.

Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es am Montag, man wäre bereit gewesen, den Ländern für alle nicht-ukrainischen Flüchtlinge 5000 Euro pro Kopf zu zahlen. Bei 300 000 Flüchtlingen aus den entsprechenden Herkunftsländern wären das 1,5 Milliarden Euro im Jahr gewesen, die der Bund dann auf 1,7 Milliarden Euro aufgestockt hätte - etwas mehr als die Summe, die im laufenden Jahr für diese Flüchtlingsgruppe gezahlt wird. Auf Länderseite sei aber kein echter Einigungswille zu spüren gewesen.

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Die Kostenschätzungen der Länder für die Beschulung und Betreuung von Flüchtlingskindern - inklusive jener aus der Ukraine - hält man zudem auf Bundesseite für zu hoch gegriffen. Es werde mit den generellen Kosten für einen neu zu schaffenden Kita- oder Schulplatz argumentiert, diese Kosten aber fielen gar nicht vollständig an, wenn lediglich zusätzliche Kinder in Schulklassen oder Kita-Gruppen kämen. Auch die Kostenkalkulation der Länder für die Unterbringung und Versorgung je Flüchtling hält man in der Bundesregierung für teilweise unrealistisch.

Eigentlich kommt die Verschärfung des Bund-Länder-Streits zur Flüchtlingsfinanzierung für alle Akteure zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt: Gerade erst hatte die Union der Ampelregierung einen "Schulterschluss" in Sachen Migration angeboten; umgekehrt wollte Bundeskanzler Scholz die Länder und die demokratische Opposition für einen "Deutschland-Pakt" gewinnen, um die Modernisierung des Landes voranzutreiben. Am Montag hieß es nun jedoch aus Länderkreisen: "Ein Deutschland-Pakt, der das Thema Migration umfasst, ist aus Sicht der Länder ohne eine tragfähige Lösung bei den Finanzierungsfragen nicht denkbar."

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