US-Vorwahl:Clinton wirft Sanders "kunstvolle Schmutzkampagne" vor

  • Hillary Clinton und Bernie Sanders streiten in der TV-Debatte der Demokraten darüber, wer progressiver ist.
  • Im Zentrum stehen Glaubwürdigkeit und Wählbarkeit der Kandidaten.
  • Kommenden Dienstag stehen die Vorwahlen in New Hampshire an.

Von Matthias Kolb, Washington, und Johannes Kuhn, New Orleans

Was bisher geschah: Bernie Sanders ist neben Donald Trump die große Überraschung dieses Wahlkampfs: Der 74 Jahre alte Senator treibt Hillary Clinton vor sich her - und nach links. Die Ex-Außenministerin, die vor drei Monaten unbezwingbar schien, hatte in Iowa nur 0,29 Prozentpunkte Vorsprung. In New Hampshire, wo am Dienstag die nächste Vorwahl ansteht, liegt Sanders mit knapp 20 Prozentpunkten vorn: Er lebt im Nachbarstaat Vermont, wo die Demokraten sehr liberal und sehr weiß sind - bei beiden Gruppen kommt "Bernie" sehr gut an. Es geht also um viel und deswegen geht es bei dieser kurzfristig angesetzten TV-Diskussion zur Sache.

Das ist neu: Nach dem Rückzug des glücklosen Martin O'Malley stehen erstmals nur zwei Anwärter hinter den Rednerpulten. Vorbei sind die Versuche des Ex-Gouverneurs von Maryland, etwas Aufmerksamkeit zu bekommen. Also geht es ständig zwischen Sanders und Clinton hin und her - und entsprechend deutlich sind die Attacken.

Atmosphäre während der Debatte: Bisher hatten beide verkündet, dass sie keine "Negativkampagne" führen und sich nicht gegenseitig beleidigen wollten. Nun fliegen die Fetzen: Sanders betont mehrmals, viel progressiver als die ehemalige Außenministerin zu sein. Er verfüge dank vieler Kleinspenden - im Schnitt 27 US-Dollar - über ähnlich viel Geld. Clinton hingegen nehme finanzielle Unterstützung der Großkonzerne in Anspruch und sei nicht unabhängig und kritisch genug. Die 68-Jährige nennt Sanders' Angriffe "unfair" und schimpft über eine "kunstvolle Schmutzkampagne". Im Vergleich zu Republikaner-Debatten (die nächste ist am Samstag, wohl mit Trump) ist der Umgangston jedoch zivilisiert, worauf beide stolz sind. "Selbst an unserem schlechtesten Tag sind wir 100 Mal besser als die Republikaner", sagt Sanders, während Clinton nickt.

Thema des Abends: Glaubwürdigkeit, und daraus abgeleitet die Frage, was einen wählbaren Kandidaten ausmacht: Idealismus und Entschlossenheit (Sanders) oder eine Mischung aus Pragmatismus, konkreten Zielen und Erfahrung (Clinton)? "Ich mache keine Versprechen, die ich nicht halten kann", sagt Clinton. Sanders dagegen gibt sich als Vertreter des "normalen Amerikas" und betont, die Wähler im November mobilisieren zu können.

Die größten Unterschiede: Sanders glaubt nicht daran, dass Regulierung alleine die finanzmächtigen Banken bändigt, Clinton setzt auf verbesserte Kontrolle durch die Regierungsbehörden. In der Außenpolitik zeigt sich Clinton eloquenter und erfahrener in Details. Iran will sie vorerst auf Abstand halten, während Sanders die Normalisierung der Beziehungen fordert.

Aus einer Liste von möglicherweise bedrohlichen Ländern wählt sie Russland, während Sanders Nordkorea nennt. Sanders ist komplett gegen die Todesstrafe, Clinton hält sie auf Bundesebene in Ausnahmefällen wie Terroranschlägen mit vielen Toten für gerechtfertigt, kritisiert einige US-Bundesstaaten aber für die übermäßige Anwendung. Ansonsten gibt es viel Einigkeit in Grundsatzfragen.

Ausblick: Die Entscheidung in New Hampshire fällt in der Nacht auf Mittwoch. Danach gibt es eine kleine Pause: Am 23. Februar findet in Nevada, wo viele Latinos leben, ein Caucus statt, bevor am 27. Februar in South Carolina abgestimmt wird (die Republikaner sind hier schon am 20.2. dran). Dort stellen Afroamerikaner mehr als die Hälfte der demokratischen Wähler - eine große Herausforderung für Sanders, der unter Schwarzen bisher nicht besonders populär ist. Apropos TV-Debatte: Schon in einer Woche, am 11. Februar, treffen sich Clinton und Sanders in Milwaukee erneut hinter den Rednerpulten.

Der Abend in Kurzfassung:

Vertrauliche E-Mails auch an Privatadressen von Powell und Rice-Mitarbeitern

Die Debatte um Hillary Clintons Nutzung eines privaten E-Mail-Kontos als US-Außenministerin erhält eine neue Nuance: Einer Untersuchung des Außenministeriums zufolge haben der ehemalige Amtsinhaber Colin Powell zwei und enge Mitarbeiter seiner Nachfolgerin Condoleezza Rice zehn E-Mails an private Adressen erhalten, die im Nachhinein als "geheim" oder "vertraulich" eingestuft wurden. Von den bislang bereits veröffentlichten 3500 E-Mails aus Clintons Amtszeit von 2009 bis 2013 waren bislang 63 nachträglich als vertraulich eingestuft worden. Die Untersuchung von Clintons E-Mail-Praktiken dauert an, das Ergebnis wird im Präsidentschaftswahlkampf mit Spannung erwartet.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: