Schüsse in Las Vegas:Nevada: Wo Waffen zum Alltag gehören

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Eine Frau testet ein Gewehr auf einer Waffenmesse in Las Vegas. (Foto: AFP)
  • Noch ist nicht bekannt, mit welchen Waffen der mutmaßliche Einzeltäter Stephen Paddock mindestens 59 Festivalbesucher in Las Vegas getötet hat - und wo er sie erworben hat.
  • Klar ist aber: Die Gesetze für den Kauf von Waffen in Nevada sind im Vergleich mit anderen US-Bundesstaaten lax. Und der Gebrauch von Schusswaffen ist historisch tief verankert.
  • Neben dem Besuch von Casinos und Konzerten gehört Schießen zur den beliebtesten Touristen-Attraktionen von Las Vegas.

Von Matthias Kolb

Wer als Kunde den "Gun Store" in der East Tropicana Avenue in Las Vegas besucht, hat die Qual der Wahl. Es stehen Dutzende Pistolen, Gewehre und Maschinenpistolen zur Auswahl und wer mit seiner eigenen Waffe den Schießstand nutzen will, zahlt nur fünf Dollar. Beliebt sind auch diverse "Paketlösungen": Für 139 Dollar pro Person gibt es das Angebot "Zweiter Weltkrieg", während das "Ladies Package" nur knapp 90 Dollar kostet.

Augen- und Ohrenschutz ist ebenso inklusive wie ein kostenloses T-Shirt - auch beim "Zombie Package" (159 Dollar), dem "Maschinengewehr"-Special (215 Dollar) oder dem allumfassenden "Shoot the Wall"-Paket für knapp 440 Dollar. Etwa 50 Waffenläden gibt es in der Stadt. Neben dem Besuch von Casinos und Konzerten gehört das Rumballern zur den beliebtesten Touristen-Attraktionen von Las Vegas.

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Damit widersprechen die Ermittler dem IS, der die Bluttat für sich reklamiert hat. Ein 64-jähriger Amerikaner schoss aus einem Hotelzimmer in die Menschenmenge eines Country-Festivals und tötete mindestens 58 Menschen.

Bisher ist nicht bekannt, welche Waffen der mutmaßliche Einzeltäter Stephen Paddock benutzte, als er vom 32. Stock des "Mandala Bay" auf die Besucher des Country-Festivals Route 91 Harvest feuerte und dabei mindestens 59 Menschen tötete und mehr als 400 verletzte. Laut Polizei hatte der 64-Jährige mindestens zehn Gewehre sowie passende Dreibeine dabei - und besaß laut Washington Post einen Jagdschein. Unklar ist auch, auf welchem Wege Paddock die Waffen erwarb - via Internet oder in einem der vielen Waffenläden im Land oder gar selbst in der Casino-Metropole. Klar ist jedoch eines: Waffen sind in Nevada allgegenwärtig und die entsprechenden Gesetze sind ziemlich lax.

Nach Recherchen des linksliberalen "Center for American Progress" stirbt in Nevada alle 20 Stunden ein Mensch durch Waffengewalt (bei Autounfällen kommen weniger Menschen ums Leben). Das Risiko liegt damit 44 Prozent über dem landesweiten Durchschnitt. Nevada liegt auf Platz 5 der Bundesstaaten, was die Selbstmorde durch Waffeneinsatz angeht. Zumindest bis 2013 landeten viele Waffen, die in Nevada gekauft wurden, im Nachbarstaat Kalifornien (dort herrschen strenge Regeln) und wurden bei Verbrechen eingesetzt.

Zuletzt wurden ein paar Regeln verschärft

Die Verfassung des Bundesstaats garantiert allen Bürgern das Recht auf Waffenbesitz: "zur eigenen Sicherheit und Verteidigung, zur rechtmäßigen Jagd und als Freizeitbeschäftigung". Laut der Website "NevadaCarry" ist es rechtmäßig, eine Waffe auf offene oder verdeckte Art in einem Casino zu tragen. Allerdings würden die meisten Casinos in einem solchen Fall dazu auffordern, die Spielhalle zu verlassen.

Die in San Francisco ansässige Nichtregierungsorganisation "Law Center to Prevent Gun Violence" gab Nevada 2016 die "Schulnote" 3- für seine Waffengesetze - im Jahr davor gab es noch ein ungenügend. Im November 2016 stimmten die Wähler dafür, dass bei privaten Waffenverkäufen der persönliche Hintergrund des Käufers überprüft werden muss und dass Gewalttäter dazu gezwungen werden, ihre Pistolen und Gewehre abzugeben. Allerdings ist es weiterhin möglich, sofort (also ohne eine vorgeschriebene Wartezeit) Waffen zu erwerben.

Unter den vielen Bürgern in Nevada, die das Recht auf Waffenbesitz ( Second Amendment), verteidigen, befinden sich auch Demokraten. Dass bei dieser Haltung nicht klar zwischen Konservativen und Liberalen zu trennen ist, liegt auch an der Geschichte des Silver State. Nevada wurde 1864 zum Bundesstaat, hier ist der Job der Cowboys und Rancher nicht nur Folklore. Viele sind stolz darauf, dass ihre Vorfahren das Land erst durch ihre harte Arbeit nutzbar gemacht haben. Der Staat und seine Vertreter in der drei Zeitzonen und mehr als 3200 Kilometer entfernten Hauptstadt Washington sollten sich vor allem raushalten aus dem Alltag ( mehr Details über das Denken von Nevadas Ranchern in dieser SZ-Reportage).

Dieses libertäre Denken ist weit verbreitet in Nevada, wo neben vielen Latinos auch ein großer Teil Asian Americans lebt. Dass die Waffenverkäufe seit 2014 dort stark anstiegen, hat einerseits mit einem allgemeinen Gefühl der Unsicherheit ( mehr bei Bloomberg Businessweek) zu tun. Andererseits fürchteten sich gerade Republikaner, dass ihnen der frühere US-Präsident Obama und die Demokraten dieses Recht nehmen könnten.

Dass Waffenläden die Kunden mit Sonderangeboten in ihre Geschäfte locken, ist in den USA ganz normal - entsprechende Anzeigen stehen in jeder Tageszeitung. Im Oktober 2016, kurz vor der letzten Debatte im Präsidentschaftswahlkampf zwischen Donald Trump und Hillary Clinton, erschien im Las Vegas Review Journal eine Werbung für eine Maschinenpistole. Diese sei im "Pre-Hillary-Sale" nun günstiger, weil die Waffen-Fans fürchteten, dass die Demokratin härtere Gesetze durchsetzen wolle.

Wahlverliererin Clinton hat inzwischen via Twitter auf das aktuelle, "kaltblütige Massaker" reagiert. Sie weist darauf hin, dass die Waffenlobby NRA seit langem fordert, den Verkauf von Schalldämpfern leichter zu machen. Clintons Argument: Das Publikum konnte so schnell flüchten, weil es die Schüsse hörte - ohne das Knallen wäre dies nicht geschehen und es hätte womöglich noch mehr Tote gegeben. Nun sei die Zeit für die strengere Regeln.

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Die politische Diskussion um die Konsequenzen aus dem Anschlag von Las Vegas hat also begonnen.

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