Fußball-WM in Australien:"Dieses Team kann auf so viele Arten Geschichte schreiben"

Lesezeit: 2 min

Auf Augenhöhe mit den Weltstars: Australiens Fußballerinnen haben sich ein großes Publikum erobert. Es ist augenscheinlich zu jedem Opfer bereit. (Foto: Dan Himbrechts/AAP/Imago)

Volle Stadien, Equal Pay und ein Premierminister, der einen Feiertag verspricht: Wie Australiens Fußballerinnen bei der WM landesweite Euphorie entfachen und den Sport verändern.

Von Anna Dreher, Sydney

Was in den vergangenen Wochen in Australien passiert ist, zeigt sich ganz gut am Beispiel des Daily Telegraph. Zum Start in die Finalwoche der Fußball-Weltmeisterschaft nannte sich die Zeitung um in The Daily Tillygraph, Tilly gelb geschrieben. Angelehnt an den Spitznamen des australischen Nationalteams der Frauen: "Matildas". Das passte ganz gut, denn inzwischen gibt es in Australien fast kein anderes Thema mehr. Mit dem Erreichen des Halbfinales haben die "Tillys" eine große Euphorie ausgelöst.

Anders als im Land des Co-Gastgebers Neuseeland, wo 20 000 Eintrittskarten verschenkt wurden, waren die Tickets im sportbegeisterten Australien von Anfang an begehrt. Das Frauenteam hatte vor dem Turnierstart zudem mehr Trikots verkauft als die Kollegen während und seit ihrer WM in Katar. Das Auftaktspiel gegen Irland musste vom 42 500 Zuschauer fassenden "Sydney Football Stadium" ins ehemalige Olympiastadion verlegt werden, damit Platz war für mehr als 75 000 Menschen.

Die Halbfinalistinnen der WM
:Australiens Torhüterin und ihr Gespür fürs Psychospiel

Mackenzie Arnold steht für die mentale Wehrhaftigkeit des WM-Gastgebers. Im Halbfinale gegen England wird diese erneut gefragt sein.

Von Anna Dreher

Seit dem 1:0 am 20. Juli hat sich das Interesse kontinuierlich gesteigert. Der TV-Sender Seven meldet Rekordquoten, und ABC News befand: "Das ist ein Team, das den australischen Sport für immer verändert hat." Der Gesundheitszustand von Rekordtorjägerin Sam Kerr nach ihrer Wadenverletzung wurde fast schon obsessiv beobachtet. Sportbars, in denen sonst Rugby oder Australian Football im Fernsehen läuft, zeigen inzwischen selbstverständlich Fußball. Der Sydney Morning Herald berichtet, dass im Vergleich zu 2022 die Zahl der Anmeldungen für Fußballcamps um 170 Prozent gestiegen sei, manche seien in einer Viertelstunde ausgebucht gewesen.

Und sollte Australien tatsächlich gewinnen, hat Premierminister Anthony Albanese angekündigt, für den 20. August einen Feiertag einführen zu wollen, den Tag des Finales. Trainer Tony Gustavsson glaubt: "Dieses Team kann auf so viele Arten Geschichte schreiben."

Fußball-WM der Frauen
:Alle Ergebnisse der Fußball-WM 2023 im Überblick

Die Fußball-WM der Frauen in Australien und Neuseeland ist vorbei. Der Spielplan mit allen Gruppen und Ergebnissen im Überblick.

Von Marko Zotschew

Früher brauchte es Nacktbilder für die nötige Finanzierung - heute gilt in Australiens Fußball Equal Pay

Der Weg dorthin war schwierig. Von 1921 bis 1971 war Frauen das Fußballspiel in Australien verboten, die folgenden Jahre waren geprägt vom Kampf um Anerkennung. Teils waren Spendenaufrufe nötig, um Trikots, Ausrüstung und Reisen zu finanzieren - oder, wie 1999, sogar ein Kalender mit Nacktbildern in Schwarz-Weiß. Erst die Olympischen Spiele in Sydney im Jahr 2000 veränderten die Lage, das Team erhielt nun staatliche Förderung - und die Aufmerksamkeit wuchs. Aber erst knapp 20 Jahre und einige Spielerinnen-Streiks später einigte sich der Fußballverband mit dem Frauenteam auf gleiche Bezahlung etwa aus Werbeeinahmen und gleiche Trainingsbedingungen wie die Männer.

Jetzt sind die Australierinnen bei ihrem eigenen Turnier vom Außenseiter zum Mitfavoriten gewachsen. Aber ganz unabhängig davon, wie die Partie an diesem Mittwoch gegen Europameister England ausgeht: Die besonderen Momente werden bleiben. Im Viertelfinale gegen Frankreich gewannen sie das längste Elfmeterschießen, das es jemals bei einer WM gegeben hat. Zwanzig Mal war der Ball auf den Punkt gelegt worden, bevor Cortnee Vine mit dem 7:6 einen Jubelsturm entfachte, bis über die Wolken. In sozialen Medien wurde ein Video aus einem Flugzeug geteilt. Ein Passagier schaute den Film "Herr der Ringe" - auf allen anderen Bildschirmen flimmerte das Elfmeterdrama.

© SZ/rtw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusStart der Fußball-WM
:Darf's ein bisschen mehr sein?

Über Generationen haben Fußballerinnen kämpfen müssen für ihren Sport. Nun soll er endgültig dieselbe Richtung einschlagen wie bei den Männern: hin zum Geld. Die Frage ist nur, was dann verloren geht.

Essay von Anna Dreher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: